»Die meisten von uns sind zum Glück nicht als Juden zu erkennen. Das haben wir unseren farbigen Mitbürgern voraus«, formuliert es Daniel Neumann, Geschäftsführer des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden Hessen, bei der Podiumsdiskussion im evangelischen Gemeindezentrum Darmstadt sarkastisch.
Rabbiner Alter aus Berlin, der zu der Veranstaltung angereist war, war vor zwei Jahren als Jude zu erkennen gewesen: Er trug eine Kippa, als er mit seiner kleinen Tochter in seinem Berliner Kiez unterwegs war. Dort traf er auf eine Gruppe muslimischer Jugendlicher, die ihn und sein Kind bedrohten, beleidigten und Alter so brutal zusammenschlugen, dass er in einem Krankenhaus operiert werden musste.
Ein antisemitisch motivierter Angriff, der damals viel Aufsehen erregte. Ist die Angst erneut ein mächtiger und allgewärtiger Begleiter in den jüdischen Gemeinden geworden? Darüber sprachen Alter, Antisemitismusbeauftragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, und Daniel Neumann bei der Diskussion unter dem Titel »Zwischen Alltag, Angst und Antisemitismus«, zu der der Darmstädter Förderkreis Liberale Synagoge eingeladen hatte. Der Förderkreis hat sich seit Oktober mit einer Vielzahl von Veranstaltungen gegen den, so der Vorsitzende Martin Frenzel, »Tsunami der Judenfeindlichkeit« gestemmt, der seit dem Sommer Deutschland und Europa überschwemme.
Demonstrationen Auch in Darmstadt und Hessen war es zu Demonstrationen gekommen, bei denen Parolen wie »Juden ins Gas« gerufen wurden. Daniel Neumann, Mitglied der Darmstädter Gemeinde, berichtet von einer großen Verunsicherung, »obwohl es uns nicht ganz unvorbereitet getroffen hat«. Gewaltbereitschaft und Aggressivität gegenüber Juden seien latent immer da gewesen. »Es war für mich eher eine Frage, wann das passiert, nicht ob.« Die Demo in Darmstadt sei von den Organisatoren bewusst auf einen Freitagabend gelegt worden, weil sich dann viele Gläubige auf den Weg durch die Stadt zur Synagoge machen. Die Polizei, die die Synagoge bewacht, habe die Gemeinde jedoch nicht darüber informiert und sogar den Streifenwagen abgezogen, um mehr Beamte bei der Demonstration zu versammeln, kritisiert er.
Der AStA der TU Darmstadt organisierte eine Gegendemo. Dennoch zeigt sich Neumann schockiert von dem »Mangel an Empathie« und der Untätigkeit der überwiegenden Mehrheit der Gesellschaft. »Ich war nicht überrascht«, kommentiert auch Alter das Geschehen – gleichwohl er die Lage in Frankfurt als entspannter wahrnimmt als etwa in Berlin. Für Daniel Neumann ist jedenfalls klar, »dass Antisemitismus ein uraltes Gift ist, das auch diese Generation nicht besiegen wird«.