Die jüdische Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen am vergangenen Sonntag: Das Fest des jüdischen Buches ist in vollem Gange, gleich wird Avi Primor aus Israel per Internet in den großen Saal zugeschaltet. Vorstandsmitglied Patrick Marx scheint zufrieden. Er geht lächelnd durch das Foyer. Doch das ist nicht immer so. Die Gemeinde denkt über einen Umzug nach.
In den vergangenen Wochen gewann die Diskussion über die Zukunft des Gemeindezentrums am Innenhafen an Brisanz. Regelmäßig entstehen hier kleine Baustellen. Wenige Jahre nach der Eröffnung wurde bereits ein Prozess gegen den Architekten Zvi Hecker wegen Rissen im Beton und eindringender Feuchtigkeit geführt. Nun entfachten ein Artikel in einer Lokalzeitung und eine Stellungnahme der Gemeinde die Debatte neu. »Keine Entscheidung gefallen über Wegzug aus dem Duisburger Innenhafen«, betonte man in der Pressemitteilung. Dass allerdings bald eine neue Heimat nötig sein könnte, ist schon lange kein Geheimnis mehr.
Kunstwerk »Zvi Hecker hat ein architektonisches Kunstwerk entworfen«, lobte Marx den israelischen Architekten zunächst ausdrücklich. »Von außen betrachtet ist es wirklich ein Prachtbau. Aber eben in der Praktikabilität ist es manchmal schwierig«, deutet er schließlich an. Schon während der Bauphase wünschte sich die Gemeinde Änderungen, die auch umgesetzt wurden. Mit einigen Fenstern gab es zunächst Probleme, auch Brüstungen wurden abgesenkt.
»Da wurde schon gefeilscht«, doch sei schließlich eine Vision verwirklicht worden, erklärt Marx. Die Vision des Architekten und die des damaligen Vorsitzenden Jacques Marx, seinem Vater. Das Verhältnis zwischen ihnen war unterkühlt. Daran erinnerte Jacques Marx selbst bei der Feier zum zehnten Geburtstag des Hauses. »Am 30. März 1999 hat der Architekt Zvi Hecker mir die Schlüssel gegeben. Die Hand habe ich ihm nicht gereicht«, sagte er damals. »Wegen der Sachen, die hier stören.«
Mängel Beseitigt werden konnten die Mängel bis heute nicht endgültig. »Es ist ja nicht so, dass alles einbricht und der Putz von den Wänden bröckelt«, erklärt der Sohn. Doch die Feuchtigkeit bereite der Gemeinde Sorgen und müsse behoben werden. Der Vorstand hat nun beschlossen, bis zum Spätsommer Zahlen über die Kosten für eine grundlegende Sanierung auf den Tisch zu legen. Dann wolle man entscheiden, ob die Gemeinde das stemmen könne oder sich nach einem neuen Objekt umsehen müsse. Noch gäbe es vage Vermutungen über die Umbaukosten, betont Marx. Die schwanken zwischen 200.000 und zwei Millionen Euro. Über viele Maßnahmen müsste wegen des Urheberrechts am Gebäude mit dem Architekten diskutiert werden.
Auch wenn das nach dem Prozess und den deutlichen Worten in der Vergangenheit sicher nicht einfach werden dürfte, bevorzugt der Vorstand diese Lösung. »Denn dieser Ort ist ein schöner Ort. Und auch das Haus an sich gefällt uns sehr gut«, sagt Marx. Wenn man an diesem Standort aber weiter investieren wolle, müsse es auch für Jahrzehnte halten.
Erweiterung Bliebe man am Innenhafen, könnte auch hier weitergebaut werden. Neue Seniorenwohnungen in der unmittelbaren Nachbarschaft seien zum Beispiel eine Möglichkeit. Die Stadt Duisburg habe bereits Flächen im »Garten der Erinnerung«, einem nahen Park, angeboten. Derzeit gibt es noch Wohnungen im Gemeindezentrum selbst, die man anders nutzen könnte. Marx weist aber darauf hin, dass man auch mit dem aktuellen Platzangebot gut arbeiten könne.
»Wenn wir einige Anpassungen vornehmen, glaube ich schon, dass wir mit der Größe auf lange Sicht auskommen.« Die Entwicklung der Mitgliedzahlen sei zwar nicht abzusehen, doch sei es wahrscheinlich, dass sie in nächster Zeit nicht rasant steigen werden. Realistischer sei sogar ein Rückgang. Etwa 2.800 Mitglieder hat die Drei-Städte-Gemeinde. Während der Bauplanung waren es noch rund 1.000.
Nutzungsdauer Ein weiteres Argument gegen einen raschen Umzug kommt aus Düsseldorf: Das Land Nordrhein-Westfalen band an ihre finanzielle Hilfe eine Nutzungsdauer von 20 Jahren. Bei einem vorzeitigen Umzug muss die Gemeinde das Geld anteilig zurückzahlen.
Darüber könne man allerdings noch verhandeln, kündigt Marx an. Denn inzwischen habe das Land bereits Mittel zur Behebung der Sicherheitsmängel am Gebäude genehmigt, die von der Gemeinde noch nicht in Anspruch genommen wurden. Im schlechtesten Fall werden sie es an diesem Standort nie, was dann in die Verhandlungen mit den Vertretern von Land und Stadt einfließen könnte.
Es besteht also noch viel Gesprächsbedarf. Und eine Kraft darf man da nicht vergessen, Jacques Marx. »Der ist ein absoluter Verfechter des aktuellen Standorts«, räumt sein Sohn lachend ein. »Mit allen Mitteln, die man sich im Vater-Sohn-Konflikt vorstellen kann.«