Wolfgang Nossen ist tot. Der langjährige Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen verstarb am Samstag, wie sein Amtsnachfolger Reinhard Schramm bestätigte.
Nossen war von 1995 bis 2012 Chef der Jüdischen Landesgemeinde in Thüringen. Diese reagierte mit großer Trauer und Bestürzung auf die Nachricht von Nossens Tod.
»Er hat in dieser Zeit nicht nur den Aufbau der Jüdischen Landesgemeinde vorangetrieben«, sagte Schramm. »Er hat sich auch immer aktiv gegen den wachsenden Antisemitismus in jeglicher Form zur Wehr gesetzt – und die Bevölkerung wachgerüttelt, sich ebenfalls aktiv gegen Antisemitismus einzusetzen.«
Nossen wurde 1931 in Breslau in eine Familie von Viehhändlern und Metzgermeistern geboren.
ZENTRALRAT »Der Tod von Wolfgang Nossen reißt eine schmerzhafte Lücke«, sagte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. »Er gehörte zu jener Generation, die in der Schoa unendlich gelitten hat und dennoch nach dem Krieg mit unbeugsamem Willen zum Neubeginn des jüdischen Lebens beigetragen hat.«
Der Wiederaufbau der Jüdischen Landesgemeinde in Thüringen sei maßgeblich Wolfgang Nossen zu verdanken, betonte Schuster. »Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.«
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) würdigte das Lebenswerk von Nossen ebenfalls; »Thüringen verdankt ihm sehr viel«, betonte Ramelow. Auch Links-Fraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow sprach der Familie des Verstorbenen ihr Beileid aus.
BIOGRAFIE Wolfgang Nossen wurde am 9. Februar 1931 in Breslau in eine Familie von Viehhändlern und Metzgermeistern geboren. »Nach mir kamen noch vier Mädchen«, sagte er einmal im Gespräch mit dieser Zeitung. 1943 wurde die Familie in ein Stadtghetto deportiert.
Berührend ist die Geschichte über seine wiedergefundene Jugendliebe Elisabeth.
Nossens Vater wurde 1938 ins KZ Buchenwald deportiert; 1944 kam er in ein Nebenlager von Großrosen, flüchtete auf dem Todesmarsch und schloss sich der Roten Armee an. Wolfgang Nossen wurde mit 14 Jahren Haushaltsvorstand. Älter geschätzt als er wirklich war, wurde er 1944 zur Zwangsarbeit eingeteilt.
STATIONEN Nach der Befreiung waren Nossens Lebensstationen Erfurt, Israel, Nürnberg und ab Anfang der 90er‐Jahre wieder dauerhaft die thüringische Landeshauptstadt.
Es ist insbesondere dieser letzte Lebensabschnitt, für den Nossen bekannt wurde. Denn im Jahr 1995 übernahm er den Vorsitz der Gemeinde, womit für ihn eine neue, sehr öffentliche Rolle begann.
Er war ein Mann für Klartext und immer auch und ein großer Familienmensch.
In seiner Amtszeit waren vor allem zwei Aspekte wichtig: zum einen das Wachstum und die Veränderung der Gemeinde aufgrund der russischsprachigen Einwanderer und zum anderen der Rechtsextremismus und Antisemitismus.
KLARTEXT Neben seiner Funktion als Gesicht der jüdischen Gemeinde Thüringens lernte man in dieser Zeit auch eine andere Seite des Gemeindevorsitzenden kennen: Der Mann für Klartext war nämlich immer auch und ein großer Familienmensch.
Berührend ist die Geschichte über seine wiedergefundene Jugendliebe Elisabeth. Vier Jahrzehnte hielt er an ihr fest, und Anfang der 90er‐Jahre kam es zum Happy End.
Jetzt ist Wolfgang Nossen im Alter von 88 Jahren gestorben. Seine Stimme wird fehlen. ja