Sie war eine kleine, zierliche Person, kaum 1,50 Meter groß, doch bewies sie zeitlebens eine geradezu stählerne Kraft. Sie und ihr Mann Josef Fränkel gründeten nach dem Krieg in Darmstadt die Jüdische Gemeinde. Geplant war das nicht, doch es wurde ihnen zur Lebensaufgabe. Hanka, wie sie von Freunden genannt wurde, war Vorstandsmitglied der Gemeinde und viele Jahre auch stellvertretende Vorsitzende.
Sie hat die Gemeinde mitgeprägt, hat erlebt, wie sie durch die Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion und Osteuropa wuchs. »Plötzlich waren wieder Kinder da«, erzählte sie oft. Das war ihr wichtig. »Für die Kleinen gibt es in der Synagoge keine Verbote«, betonte sie stets. »Wem als Kind Ehrfurcht gepredigt wird, der kommt als Erwachsener nicht in die Synagoge.« Daran glaubte sie fest. »Wir sind für jedes Kind dankbar.« Als Hanka Fränkel nach Darmstadt kam, gab es dort nur Erwachsene, Emigranten, Holocaust-Überlebende oder Displaced Persons wie sie selbst.
Oberschlesien Johanna Hornung, so ihr Mädchenname, kam in Oberschlesien zur Welt. Sie überlebte das KZ Groß-Rosen, wo sie ihren Mann Josef kennenlernte. Eigentlich wollten sie nach Amerika, weg aus Deutschland. Weil ihr Mann sich im Lager eine Lungenkrankheit zugezogen hatte, verweigerten ihnen die USA die Einreise. Sie blieben notgedrungen, Josef Fränkel begann ein Maschinenbaustudium.
120 Juden sammelten sich nach dem Krieg in der ersten kleinen Gemeinde. »Wir stammten aus zehn Nationen mit zehn Sprachen, wenige Deutsche, viele Polen, Türken, Italiener, Argentinier«, erinnert sich Hanka Fränkel an ein Leben wie auf einer Insel. »Wir hatten kaum Kontakt nach außen zu Darmstädtern.«
Anfangs war es das Ziel, »den Menschen bei ihrer Auswanderung aus Deutschland zu helfen«, erinnerte sie sich. Doch bald wurde es ihre und Josef Fränkels Aufgabe, jüdisches Leben in der Stadt wieder möglich zu machen. Sie setzten sich für den Neubau der Synagoge ein, die im November 1988 eröffnet wurde. Josef Fränkel starb 1994.
Kunstausstellungen Johanna Fränkel, künstlerisch interessiert, initiierte im Gemeindezentrum Kunstausstellungen, unter anderem eine mit Werken von Samuel Bak. Ihre Tochter Ritula Fränkel war eine international bekannte Installationskünstlerin, die zusammen mit ihrem Mann Nicholas Morris, Konzepte für das »Denkzeichen Güterbahnhof« und den »Erinnerungsort Liberale Synagoge Darmstadt« schuf.
Hanka Fränkel litt darunter, dass viele geliebte Menschen vor ihr gingen. Ihre Tochter Ritula starb 2015, ihr langjähriger Weggefährte und Gemeindevorsitzender Moritz Neumann 2016. Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch würdigte Hanka Fränkel als außergewöhnliche und warmherzige Frau. Mit ihr verliere Darmstadt und er selbst eine Freundin. Johanna Fränkel wurde 93 Jahre alt.