Das große Portal der Düsseldorfer Synagoge kennen die meisten Nachbarn und Gemeindemitglieder nur geschlossen. Doch am vergangenen Sonntag sind die schweren Türen für einen Moment weit geöffnet: Alle sollen sehen, dass hier etwas Besonderes gefeiert wird. Dutzende Menschen tanzen hinaus ins Freie, Musiker spielen, die Rabbiner laufen vorneweg und tragen eine neue Torarolle.
»Im Judentum dreht sich alles um diese heilige Schrift, ohne Sefer Tora kann keine Synagoge funktionieren«, sagt Igor Israilov, der vor etwa einem Jahr einen Sofer damit beauftragt hat, die Torarolle zu schreiben. Genau 304.805 Buchstaben enthält sie nun, die letzten fügten Oberrabbiner Raphael Evers, Rabbiner Benzion Dov Kaplan, Rabbiner Chaim Barkan, Rabbiner Yitzchak Niazov aus Wien, Gemeindevorsitzender Oded Horowitz sowie Mitglieder der Gruppe der bucharischen Juden und der Spender Igor Israilov selbst hinzu.
Mizwa »Jeder Jude soll in seinem Leben eine Sefer Tora schreiben, das ist eine Mizwa«, erklärt er. »Das ist in der heutigen Zeit aber nicht möglich. Deshalb beauftragt man einen Sofer damit, der vier Stunden am Tag schreibt, betet und keiner anderen Arbeit nachgeht. Dabei bleiben aber noch einige Buchstaben übrig. Wenn ich den letzten Buchstaben schreibe, dann bedeutet es, dass ich das Gebot erfüllt habe«, sagt der 41-Jährige, der 1994 aus Taschkent, der Hauptstadt Usbekistans, nach Düsseldorf kam.
Nach dem Verständnis des Gemeinderabbiners Raphael Evers hat Familie Israilov damit aber nicht nur für sich diese Mizwa erfüllt, sondern für die gesamte Gemeinde. »Denn die Rolle wird der Gemeinde geschenkt, und sie wurde für die Gemeinschaft geschrieben. Wer aufgerufen wird, aus der Tora zu lesen, dem gehört sie für diese ein oder zwei Minuten«, erklärt der Oberrabbiner. »Die Mizwa ist erfüllt.«
Tradition Es ist bereits die zweite Sefer Tora, die die bucharischen Juden innerhalb der Einheitsgemeinde gespendet haben. Etwa 230 Mitglieder umfasst die bucharische Gruppe innerhalb der rund 7000 Mitglieder zählenden Düsseldorfer Gemeinde. Igor Israilov betont, dass sie sich in der Gemeinde wie zu Hause fühlen, und der Toraspender erzählt eine Geschichte.
»Als ich 13 Jahre alt war, habe ich draußen mit meinen Freunden Fußball gespielt. Dann kam mein Vater raus und meinte: ›Igor, du musst mitkommen in die Synagoge.‹ Ich wollte nicht, denn dort beteten alle, während draußen meine Freunde spielten. Aber mein Vater sagte: ›Je älter du wirst, desto öfter gehst du in die Synagoge und desto näher kommst du Gott.‹ Ich bin mitgegangen und habe dann dort diese Wärme gespürt«, erklärt Israilov. »Jetzt ist meine Tochter 13 – und sie fragt mich von selbst, wann wir in die Synagoge gehen! Das bedeutet, dass die Gemeinde alles richtig gemacht hat.«
unterstützung Seine Tochter habe den jüdischen Kindergarten und die Grundschule besucht. »Wir wollen unsere Jugendlichen in die Synagoge bringen. Das funktioniert hier perfekt.« Auch bei der Planung des Torafestes habe man viel Unterstützung erhalten, betont Israilov.
Und so steht im Toraschrein der Synagoge nun neben den bei aschkenasischen Juden typischerweise mit Stoff überzogenen Rollen eine Sefer Tora in einem Kasten, wie es bei bucharisch-sefardischen Juden Tradition ist. »Diese Menschen«, sagt Oberrabbiner Evers über die bucharischen Juden in Düsseldorf, »tun viel für unsere Gemeinschaft.«