Frisch saniert sonnen sich Bayreuths Opernhaus und Synagoge am Rande der Altstadt im Glanz ihrer Geschichte. Das Markgräfliche Musiktheater überstrahlt sogar Wagners Festspielhaus auf dem Grünen Hügel, wurde es doch 2012 von der UNESCO mit dem Titel »Weltkulturerbe« geadelt. Und die benachbarte Synagoge darf sich rühmen, seit 1760 fast ununterbrochen kultisch genutzt zu werden.
Außerdem gilt das im August 2013 eingeweihte rituelle Tauchbad als eine der Mikwen mit den höchsten halachischen Standards in Europa. Und die vor zehn Jahren unter dem Synagogendach geborgene Genisa ist nicht nur ein Schatz für das zukünftige Jüdische Museum der Gemeinde, sondern auch für die Wissenschaft. Bayreuth habe für das jüdisch-religiöse Leben und auch für die Welt durchaus etwas zu bieten, sagt der Vorsitzende Felix Gothart mit Blick auf große jüdische Gemeinden wie Berlin, Frankfurt oder München.
nachbarschaft Die helle Putzfassade der fast quadratischen Synagoge an der Münzgasse hebt sich deutlich vom Sandsteinbarock des Opernhauses ab. Architektonisch und geschichtlich bilden sie eine Einheit. Ein schmaler Gang trennt das jüdische Bethaus von der grauen Nordwand des Bühnenhauses. Zum Garten hin flankieren je zwei geschosshohe Rundbogenfenster die Nische für den Toraschrein. Über dem Eingangsportal auf der Westseite verkündet die hebräische Inschrift: »Dies ist das Tor G’ttes, durch das die Gerechten kommen.«
Der rekonstruierte Betsaal mit der Empore verbindet ganz bewusst Tradition und Moderne.
Der rekonstruierte Betsaal mit der Empore verbindet ganz bewusst Tradition und Moderne. Etwa 500 Mitglieder zählt die Israelitische Kultusgemeinde Bayreuth, deren Geschichte bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht, unterbrochen von den Pogromen und den Vertreibungen im späten Mittelalter.
1759 erlaubte Markgraf Friedrich zehn jüdischen Familien, sich wieder in der Stadt anzusiedeln. Sein Hofbankier Moses Seckel durfte das frühere »alte Comoedien- und Redouten-Hauss«, den Vorläuferbau des unmittelbar benachbarten Markgräflichen Opernhauses, kaufen und darin die Schul einrichten. Seit sich Markgräfin Wilhelmine, Tochter des preußischen Soldatenkönigs, ihr berühmt gewordenes Opernhaus bauen ließ, stand dieses Gebäude leer.
»Man muss sich vorstellen: Wo sich heute die Frauenempore befindet, saßen damals Markgrafen und Kurfürsten«, beschreibt Felix Gothart die besondere Geschichte der Bayreuther Synagoge. »Das Volk saß unten, genau da, wo heute die jüdischen Männer beten.« Heute heißt: nach der umfangreichen Sanierung des Hauses, die inzwischen fast abgeschlossen ist.
SA-Männer hatten die Synagoge im November 1938 komplett verwüstet und alle Kultgegenstände verschleppt, einschließlich Gemeindearchiv und 28 Torarollen.
SA-Männer hatten das Gebäude im November 1938 komplett verwüstet und alle Kultgegenstände verschleppt, einschließlich Gemeindearchiv und 28 Torarollen. Und sie hissten Hakenkreuzfahnen. Niedergebrannt haben sie es nicht, denn das Feuer hätte das Markgräfliche Opernhaus gefährdet.
Bombardement Glück im Unglück hatte der Bau auch in den letzten Kriegstagen, als die Amerikaner die zur Festung erklärte Stadt bombardierten. Viele der umstehenden Gebäude wurden zerstört oder beschädigt, nicht aber das Opernhaus und die Synagoge. Felix Gothart spricht von einem Wunder: »Die Synagoge hat das Opernhaus und das Opernhaus die Synagoge beschützt.« Und so konnten die überlebenden Juden schon 1946 hier wieder Gottesdienst feiern.
2006 tauchte in einem Dorf ganz in der Nähe eine Bayreuther Tora auf. Dort hatten mit Sicherheit keine Juden gelebt, sagt Felix Gothart. So erhielt die jüdische Gemeinde 70 Jahre nach der Pogromnacht eine Rolle zurück.
Das Gemeindearchiv war von den Amerikanern nach Kriegsende in Bamberg sichergestellt worden. Dort befand sich eine der Sammelstellen für das von Reinhard Heidrich geplante Judenmuseum in Prag. Die Originale befinden sich heute in Jerusalem. Sie wurden mit Unterstützung der Stadt und der Universität Bayreuth digitalisiert und stehen so der Gemeinde und der Öffentlichkeit zur Verfügung.
Die Amerikaner stellten nach Kriegsende das Gemeindearchiv sicher.
sanierung Als Felix Gothart 1999 das Amt des Gemeindevorsitzenden von seinem verstorbenen Vater übernahm, begannen sofort die Vorarbeiten für die längst notwendige Sanierung der Synagoge und die Neugestaltung des Areals hinter dem Opernhaus.
Erster Bauabschnitt sollte die Mikwe sein, denn so sei es Brauch, sagt Gothart. Realisiert wurde das flach aus dem Garten ragende Ritualbad vom Architekturbüro Wandel Lorch Saarbrücken, das auch die neuen Gemeindezentren in Dresden und München gestaltet hat. Ein artesischer Brunnen versorgt das Tauchbecken aus 70 Metern Tiefe mit natürlichem Wasser. Rabbiner Meir Posen aus London bescheinigte dessen besondere Reinheit.
Schon bei den Vorbereitungsarbeiten hatten Archäologen nach möglicherweise vergrabenen Judaika auf dem Gelände gesucht. Fündig wurden sie aber erst bei Untersuchungen des Dachbodens. »Unter Brettern verborgen, verschmutzt und vergilbt, von der Nord- bis Südseite, verteilt auf der gesamten Balkenlänge, lagerte eine große Menge alter Papiere. Sofort haben wir Kontakt mit dem Denkmalamt und dem Genisa-Museum Veitshöchheim aufgenommen.«
Besuchern zeigt Felix Gothart nicht nur das alte Windgebläse aus der Theaterzeit vor 1759, sondern auch die im Dielenboden eingelassene überglaste Aussparung. Ein paar mit hebräischen Schriftzeichen bedruckte Fragmente zeigen, wo die Gemeinde von 1760 bis etwa 1780 all die beschädigten Schriftstücke mit dem Gottesnamen deponierte.
»Was wir nicht wussten: wie groß die Genisa war – es handelt sich um rund 8000 Fundstücke, darunter Zettel mit kabbalistischen Sprüchen oder Wünschen, wie man sie in die Klagemauer steckt.« Von höchstem Wert für die Forschung ist zudem, dass die Genisa »in situ« aufgefunden wurde, also an ihrem ursprünglichen Ort.
Von höchstem Wert für die Forschung ist zudem, dass die Genisa »in situ« aufgefunden wurde, also an ihrem ursprünglichen Ort.
Tierkreiszeichen Die Kalender mit Tierkreiszeichen für jeden Monat, sterngedeutete Wetterprognosen, Angaben zu Markttagen oder Tipps zur Behandlung von Krankheiten, sind in Westjiddisch geschrieben, eine seit der Aufklärung verloren gegangene Sprache. Auch ein Gebetbuch mit dem Namenszug der Familie Würzburger, Fragmente einer Pessach-Haggada oder das Amulett einer Wöchnerin könnten schon bald im Museum der Gemeinde zu sehen sein.
Untergebracht werden soll es im ehemaligen Iwalewa-Haus der Universität Bayreuth vis à vis der Synagoge. Die Vorarbeiten dafür sind inzwischen abgeschlossen. Während der Umbauzeit der Synagoge hatte die Gemeinde hier ihre Gottesdienste und Kidduschim abgehalten, in einem Provisorium. Im 18. Jahrhundert war es als Markgräfliche Münze errichtet worden und beherbergte später die jüdische Schule. Ja, sogar eine Jeschiwa habe es einst in Bayreuth gegeben, betont Felix Gothart.
Ebenfalls interessant für ein Museum dürfte der enge Kontakt der Bayreuther Juden zu Dichtern wie Jean Paul und zum Kreis um Johann Gottfried Herder in Weimar sein. Mit Juda Löw Pinhas habe es sogar einen jüdischen Hofmaler in der Residenzstadt gegeben. Genug Geschichten, die man im zukünftigen Museum erzählen könnte. Daneben soll das Haus Platz für Unterrichts- und Forschungsräume und sogar für ein jiddisches Theater bieten. Der Gemeindevorsitzende sieht darin eine große Chance, das Judentum vor allem jungen Leuten nahezubringen.
Immer wieder tauchen neue Objekte aus der langen Geschichte der Bayreuther Gemeinde auf. So übergab ein Münchner gerade erst das Kassenbuch des Frauenvereins der Israelitischen Kultusgemeinde mit handschriftlichen Eintragungen über Spenden von 1910 bis 1938. »Durch solche Dokumente werden Menschen, die damals gelebt haben, lebendig«, freut sich Gothart.