Ida Slavina freut sich wie jeck. Die 95-Jährige trägt eine Silberbluse, schwarze Weste und einen schwarzen Papphut mit roter Bandschleife, keck auf dem Hinterkopf drapiert. Klatschmarsch, dann hakt sie sich bei Rina Ekelchik unter und schunkelt. »Kölle Alaaf, Alaaf, Kölle Alaaf«, schallt es durch die Halle des Wohlfahrtszentrums der Synagogen-Gemeinde in Köln-Ehrenfeld. Knapp 50 Senioren des Elternheims, dazu Pfleger, Gemeindemitglieder und Kinder feiern kostümiert ihre traditionelle Karnevalssitzung.
»Fastelovend« ist in der jüdischen Gemeinde in der rheinischen Karnevalshochburg eine alte Tradition, erzählt Abraham Lehrer, Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde und Vizepräsident des Zentralrats der Juden. Bereits kurz nach dem Krieg feierten Kölns Juden nicht nur Purim, sondern auch wieder Karneval. »Wir sind stolz auf die Tradition«, sagt Lehrer.
Jung und Alt Diesmal heißt es beim »Rheinischen Nachmittag«: »Wenn mer uns Pänz sinn, sin mer vun de Söck.« »Wenn wir unsere Kinder sehen, sind wir von den Socken«, übersetzt Ingrid Barth, Leiterin der Elternheims. Das Motto der diesjährigen Session in Köln passe wunderbar zum Wohlfahrtszentrum der Synagogen-Gemeinde. »Hier trifft sich Jung und Alt.«
Und die Stimmung bei den »jecken Alten« mit einem Durchschnittsalter von 85 Jahren ist ausgelassen. Kostümierte Betreuerinnen tanzen mit dick geschminkten und kostümierten Bewohnern, Rollis werden im Gang tanzend gedreht, dazwischen wuseln grün-weiß verkleidete Jungharlekine mit der typischen Doppelbommelkappe der Hofnarren. Auf der kleinen Bühne schwingt die Kindertanztruppe der Kölschen Harlequins ihre Beine und formiert sich zu einer menschlichen Pyramide.
»Das gefällt mir«, sagt Ida Slavina. Sie erlebt zum ersten Mal die Feier. »Ich bin beeindruckt von der Fröhlichkeit. Das ist prachtvoll«, übersetzt ihre Nachbarin Rina Ekelchik die russischen Kommentare der Neukölnerin. Luftschlangen fliegen über die Köpfe.
Karnevalsvirus »In unserm Veedel« singen die textsicheren Kölner, die anderen klatschen den Takt und summen den Refrain mit. »Auch wenn nicht alle Kölsch verstehen«, lacht die mit grünem Glanzcut und Federbuschhut kostümierte Sitzungs- und Zentrumsmanagerin Ingrid Barth. Sie ist vom Bodensee an den Rhein gekommen und sichtbar vom Karnevalsvirus infiziert.
In der Vorhalle ist ein Nachmittagsbüfett aufgebaut, belegte Brötchen, in Köln »Berliner« genannte Pfannkuchen, Eierkrapfen und die typischen kölschen Muuzenmandeln, ein Spritzgebäck, das es nur zur Karnevalszeit gibt. Dazu gibt es aus dem Bierfass frisch gezapftes Kölsch. »Koscher natürlich, wie alles hier«, versichert Barth.
Dann hält mit klingendem Spiel das diesjährige Dreigestirn mit Hofstaat seinen Einzug in den Saal. »Kleine Sitzungen wie in der Synagogen-Gemeinde sind für uns das Salz in der Suppe«, sagt launig seine Tollität Prinz Stefan und schwenkt seine Narrenpritsche. Begleitet wird er von seiner (männlichen) Lieblichkeit, der Jungfrau Stefanie, und seiner Deftigkeit, dem Kölner Buur, Bauer Andreas.
Selbst Orden hat die Gemeinde anfertigen lassen, mit denen die Darbietenden geehrt werden: Das Kölner Wappen ziert eine blau-weiße Narrenmütze, die abgebildeten Puppengestalten tragen statt Zipfelmützen Kippa, und die Frauen Scheitel. Klatschmarsch. Das Dreigestirn zieht weiter. »Kölle Alaaf«, schallt es durch den Saal – »Synagogen-Gemeinde Alaaf«.