Der Norden bereitet sich auf die Jewrovision vor. In Hannover bei den Zweitplatzierten des Vorjahres, in Osnabrück und Oldenburg: Überall wird kräftig gearbeitet, um bei der Jewrovision in Karlsruhe am 18. Februar einen tollen Auftritt hinzulegen. Und natürlich tanzen, singen und performen auch die Jugendlichen in Hamburg schon seit Monaten fleißig.
»Los, los, los! Noch eine Runde!«, schallt es laut durch die Halle. Eyal Levinsky braucht seine ganze Stimmgewalt, um die donnernden Beats aus den Lautsprechern zu übertönen. Er bringt die jungen Hamburger ordentlich ins Schwitzen, die hier auf dem Parkett ihre Runden drehen. Aber schließlich sind es nur noch zwei Wochen bis zur Jewrovision, und für einen guten Bühnenauftritt muss man schon in Form sein. Etwa 25 Kinder und Jugendliche tummeln sich unter der Anleitung von Levinsky in der Aula der Synagoge, die dem Hamburger Jugendzentrum Chasak als Trainingsort dient. Zum Aufwärmen vor der sonntäglichen Übungseinheit müssen sie im Kreis joggen, Liegestütze machen und auf der Stelle steppen.
Choreograf Heute ist ein besonderer Tag, denn zur Vorbereitung auf den großen Auftritt in Karlsruhe ist extra ein Choreograf angereist. »Es ist richtig schön zu sehen, was sich in Hamburg in den vergangenen Jahren getan hat«, findet Mike Delberg. Zweimal ist er aus Berlin an die Elbe gekommen und feilt mit Chasak an ihrem Programm. Die Entwicklung ist auch der engagierten Arbeit von Xenia Fuchs, die dem Hamburger Jugendzentrum in den vergangenen Jahren wieder zu neuem Leben verholfen hat, zu verdanken.
Seit dem vergangenen Jahr hat nun Eyal Levinsky die Funktion als Ko-Leiter des Zentrums übernommen und widmet sich mit großer Leidenschaft der Vorbereitung auf die Jewrovision. Zur Motivation joggt er manchmal selbst ein paar Runden mit, ohne dabei natürlich die Anfeuerungsrufe einzustellen.
Gerade für die Jugendlichen aus kleineren Gemeinden ist die Jewrovision eine großartige Gelegenheit, sich auszutauschen, Freundschaften zu schließen und Gemeinsamkeiten zu entdecken. So sieht es auch Jehuda Wältermann, Vorsitzender der Oldenburger Gemeinde. »Für so eine kleine Gemeinde wie uns ist das schon ein ganz schöner Aufwand«, erzählt Wältermann. Aber die Kinder seien voll und ganz dabei. »Seit zwei Monaten drehen die hier am Rad!« Über die Zeugnisferien haben sie sich sogar zu einem Bootcamp getroffen, nach Karlsruhe werden neben 13 jungen Stars auch Eltern und Freunde reisen.
Auch die Oldenburger Seniorengeneration steht voll hinter der Truppe. »Für so eine Zwergengemeinde wie unsere ist das schon toll, wenn wir mit 45 Leuten kommen«, sagt der Vorsitzende und betont noch einmal die Bedeutung für die Jugendlichen. »Die Kinder sind unsere Zukunft, das kann man gar nicht oft genug betonen. Sie sind so konzentriert dabei, die bilden schon fast eine eigene kleine Gemeinde.«
Video 2016 waren die Oldenburger immerhin Neunte, beim Video landeten sie sogar direkt hinter Hamburg auf Rang zwei. Wichtiger sei aber das gemeinsame Hinarbeiten auf ein Ziel, betont Wältermann. Das findet auch Eyal Levinsky, für den das Abschneiden der Truppe am Ende nicht das Entscheidende ist, obwohl nach dem knappen vierten Platz im Vorjahr natürlich die Hoffnung auf einen Podiumsrang vorherrscht. »Früher war mir die Konkurrenz am wichtigsten, da war ich sehr ehrgeizig«, erzählt Levinsky. Mittlerweile gehe es ihm mehr darum, »eine richtig gute Show abzuliefern«. Es sollen am Ende alle stolz darauf sein, was sie gemeinsam auf die Beine gestellt haben.
»Ich habe 2008 selbst als Rapper für Berlin auf der Bühne gestanden, das ist schon ein tolles Gefühl«, erinnert sich der Marketing-Student, der ebenfalls zu jedem Training eigens aus Berlin anreist. Wann hätten die Kids denn sonst schon einmal die Chance, vor 2000 Leuten aufzutreten? »Meine Hamburger sind richtig motiviert, die sind Feuer und Flamme«, freut sich Levinsky. Einige hätten sich sogar zu eigenen kleinen Übungsgruppen zusammengetan, um die komplexe Choreografie einzustudieren.
Thema Aber es geht natürlich auch um Inhalte, in diesem Jahr heißt das Thema »United Cultures of Judaism«, es soll in den Auftritten um kulturelle Vielfalt, ums Miteinander gehen. Gut gewählt, findet Levinsky, dem es auch wichtig ist, mit den Jugendlichen richtig in das Thema einzusteigen. Besonders in Zeiten, die von unbewussten Ängsten und Unsicherheiten geprägt seien.
»Gerade in der aktuellen Lage mit den Flüchtlingen ist es wichtig, die eigene Geschichte zu kennen und sich damit auseinanderzusetzen«, findet der Coach. »Wenn eines unserer Kinder zur Jewrovision fährt und immer noch nicht weiß, welche verschiedenen Arten des Judentums es gibt, dann haben wir etwas falsch gemacht.« So sprach er in der Vorbereitung und in der Erarbeitung des Songs, der natürlich streng geheim bleibt, mit seiner Truppe über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Aschkenasim und Sefardim, aber auch über Juden in der Diaspora und den Vergleich mit den Flüchtlingen heute.
Trotz aller Ernsthaftigkeit geht es natürlich darum, den Kindern Spaß und ein tolles Gemeinschaftsgefühl zu vermitteln. Und damit das auf der Bühne richtig überspringt, wird in Oldenburg und Hamburg bis zum 17. Februar noch weiter fleißig gefeilt und geschwitzt.