Chanukka

Sufganiot mit Nutella

Frankfurter Fenster: Galits Familie hat schon mal geschmückt. Foto: Rafael Herlich

»In Israel«, erzählt Ilana, »kannst du an Chanukka in jedem Fenster Lichter brennen sehen.« Sie schaut nach draußen, ihr Blick wandert über die Fassaden der Nachbarhäuser. »Hier findest du nur ganz vereinzelt welche.« Ilana, in Israel aufgewachsene Tochter jemenitischer Einwanderer, besitzt sogar zwei Chanukkaleuchter. Aber einen hat sie in die Krabbelstube im Gemeindezentrum mitgenommen, wo sie seit fünf Monaten arbeitet. Sowie den Dreidel ihrer Tochter Michelle, der sich nicht nur blitzschnell dreht, sondern dabei auch Musik erklingen lässt.

Michelle wird bald neun Jahre alt, für sie hat der tönende Kreisel an Faszination verloren, aber für die Ein- bis Dreijährigen ist er zurzeit das tollste Spielzeug. Immer wieder muss Ilana ihn aufziehen und über den Boden tanzen lassen, nicht genug können die Kinder davon bekommen.

Wenn Ilana zu Hause Chanukka feiert, dann kommt bei ihr nichts Vorgefertigtes auf den Tisch. Alles kocht und backt sie selbst; ihre Sufganiot, die sie auf besonderen Wunsch ihrer Tochter nicht nur mit Marmelade, sondern auch mit Nutella füllt, sind mittlerweile berühmt, weil sie so locker und leicht sind. Das Geheimnis ist der Naturjoghurt, den Ilana mit in den Teig einrührt. Dazu gibt es bei ihr, selbstverständlich selbst gemacht, Lattkes mit Lachs und Frischkäse.

Überraschungen Aus Israel hat sich Ilana außerdem eine kleine Überraschung für ihre Tochter mitbringen lassen, eine goldene Tüte, prall gefüllt mit Schokoladen-Schekeln in Goldfolie und einem kleinen Sevivon. Etwas Geld in härterer Währung als Schokolade wird Michelle natürlich auch geschenkt bekommen, damit sie sich einen Wunsch erfüllen kann.

Leah und Sylvia haben dieses Mal ihr Chanukkageschenk bereits im Voraus erhalten. Und ihre Eltern haben ihnen damit eine Riesenfreude bereitet. Denn schon immer wollten die beiden einen eigenen Hund haben. Jetzt ist er da, ein winziges weißes Fellknäuel, das um ihre Füße herumwuselt oder mit spitzen Milchzähnchen zärtlich an ihren Fingern knabbert: »Chanelli«, ein Mini-Malteser-Weibchen, gerade mal fünf Wochen alt und so klein, dass die Mädchen den Hundekorb mit Schals ausgestopft haben, damit sich das Hündchen darin nicht so verloren fühlt.

Familienfest Manchmal, vor allem wenn Leah und Sylvie in der Schule sind, steht Chanellis Körbchen auf dem Boden hinter der Ladentheke in dem Geschäft mit koscheren und russischen Spezialitäten, das Gila und Isaak Uschwaew im Frankfurter Ostend betreiben. Der »Nahkauf« hat fast rund um die Uhr geöffnet, aber dennoch besteht Gila darauf, dass die Familie in diesem Jahr Chanukka bei ihr zu Hause feiert.

Und Familie heißt in diesem Fall: Eltern, Schwiegermutter, die fünf Geschwister von Isaak und Gila sowie alle Kinder. Jeden Abend während der acht Tage, an denen das Lichterfest gefeiert wird, »stellen wir die Kerzen am Fenster auf und zünden sie mit dem Schamasch an«, erzählt Gila. Danach gibt es georgisches Essen: als Erstes Suppe mit Hackfleischbällchen, Karotten und anderem Gemüse.

Rezepte »Unsere Vorfahren waren sefardische Juden, die ursprünglich im Iran lebten, aber vor langer Zeit nach Georgien ausgewandert sind«, erläutert die 32-Jährige. »Deshalb koche ich auch ein traditionelles sefardisches Gericht, Reis mit roten Bohnen, dazu Frikadellen, verschiedene Salate und Auberginen.«

Acht Tage lang rückt die große Familie eng zusammen, jeder, der Zeit hat, kommt so oft er kann. So haben die Uschwaews auch schon in Tiflis Chanukka gefeiert, denn im Gegensatz zu anderen Teilen der ehemaligen Sowjetunion war es hier möglich, jüdisch zu leben, ohne dass man Repressalien fürchten musste.

44 Kerzen Acht Tage lang Lichter anzünden. Die 13-jährige Esther hat schon einmal ausgerechnet, wie viele Kerzen man dafür benötigt: »Es sind 44«, sagt sie. Zu Hause haben sie sogar vier Chanukkaleuchter, die sie bereits geputzt haben, damit am Erev Chanukka alles in festlichem Glanz erstrahlt.

Kein Wunder, dass Esthers Mutter Yulia auch schon einen großen Kerzenvorrat angelegt hat. Die vierköpfige Familie bereitet sich intensiv auf das Fest vor: »Wir lesen die Chanukkageschichte und auch andere Geschichten aus der Zeit des Zweiten Tempels«, erklären Esther und ihre achtjährige Schwester Rivka. Ein Kinderbuch gefällt den beiden Mädchen aber besonders gut: Es erzählt, wie ein Mädchen im Konzentrationslager heimlich aus Löffeln einen Leuchter formt, um mit anderen Häftlingen Chanukka feiern zu können.

Esther und Rivka haben sich jetzt daran gemacht, den Text aus dem Russischen ins Deutsche zu übersetzen. Damit ihre Mitschüler in der Lichtigfeld-Schule diese Geschichte auch kennenlernen können. Außerdem herrscht heimlich große Geschäftigkeit in der Wohnung. So lassen sich die Mädchen und ihr kleiner Bruder Itzhok an Chanukka nicht nur beschenken, sie haben sich auch eine Überraschung für ihre Mutter überlegt: Denn Yulia hat am sechsten Tag des Lichterfests Geburtstag.

Selbst gebastelt Im Haus von Galit ist alles bereits festlich dekoriert: Ihre Söhne haben mit Window-Colour, Ton- und Transparentpapier Dreidel, Ölkrüge und Chanukkiot gemalt, ausgeschnitten und an die Fenster geklebt. Girlanden mit selbst gemalten Bildern durchziehen das Wohnzimmer.

Am Samstagabend versammeln sich hier Oma, Opa, Freunde und die ganze Familie, um die erste Kerze anzuzünden. Aber an den folgenden Tagen wird es hektisch: »Wir rennen von einer Feier zur anderen«, erzählt Galit, »manchmal bedeutet Chanukka auch Stress.« Dennoch liebt sie dieses Fest, vor allem die Lieder, die für sie die schönsten aus dem jüdischen Jahrkreis sind: »Die singen die Kinder immer noch ein halbes Jahr danach.«

Frankfurt/Main

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