Man könnte es das Gedächtnis der Israelitischen Religionsgemeinschaft (IRGW) in Stuttgart nennen. Im sogenannten Findbuch sind 39 Regalmeter archivarisches Material der IRGW nach ihrer Wiedergründung am 9. Juni 1945 zusammengefasst: Protokolle zur Regelung von Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsverfahren, Fiedhofsdokumentationen, Verwaltungsniederschriften der Liegenschaften, private Korrespondenzen. Anfang Februar überreichte es Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster IRGW-Vorstandssprecherin Barbara Traub.
»Ich freue mich, dass jüdisches Leben wieder selbstverständlicher Teil des kulturellen sozialen Lebens in Stuttgart geworden ist«, sagte Schuster bei der Übergabe. Es sei einmalig in Deutschland, dass eine jüdische Gemeinde in dem am 1. Dezember 2003 abgeschlossenen Vertrag mit dem Stadtarchiv ihrer Kommune den Aufbau eines Jüdischen Dokumentationszentrums anstrebe. Üblicherweise treten die jüdischen Gemeinden ihre Unterlagen ans Jüdische Zentralarchiv in Heidelberg ab.
Unikate Die Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg beim Wissenschaftsministerium hat die Erschließung nachhaltig unterstützt, indem sie die Personalkosten finanzierte. Bearbeiter war bis zu seinem Tode der Historiker Michail Fundaminski sel. A. vom Vorstand der Stuttgarter Gemeinde. Das Stadtarchiv hat anschließend die aufwendige Sammlung und Auswertung aller Unikate und 600 Fotos sowie die Drucklegung zu einem 560 Seiten starken Band fortgeführt.
»Das Findbuch erleichtert den lokalgeschichtlichen Zugang zur Geschichte unserer Gemeinde nach 1945«, sagte Barbara Traub beim Empfang im Gemeindezentrum in der Firnhaberstraße. Die Überlieferung der alten, von den Nationalsozialisten nahezu ausgelöschten Gemeinde ist bis auf wenige Exemplare verschollen. Ein Luftangriff im Jahre 1944 hatte die Dokumente zerstört. Die Synagoge war am Morgen des 10. November 1938 angezündet worden. Die ausgebrannte Ruine wurde wenige Tage später abgebrochen.
Mehrere Forscher hätten die Quellen bereits für ihre Projekte genutzt, so der Direktor des Stadtarchivs Stuttgart, Roland Müller. Barbara Traub berichtete, dass zugewanderte Senioren bei der Auffindung, Verpackung und dem Transport der Dokumente geholfen hätten. So wurde die Zusammenarbeit zum Findbuch nicht nur ein Beweis des Vertrauens und der guten Zusammenarbeit zwischen der Landeshauptstadt und der jüdischen Gemeinde, sondern war ganz nebenbei auch ein Integrationsvehikel.