Der Alte Israelitische Friedhof in der Thalkirchner Straße ist ein Ort des ewigen Lebens – und Teil der Münchner Stadtgeschichte über zwei Jahrhunderte hinweg. Stadtrat Michael Mattar (FDP) hat nun eine Initiative zum Erhalt des Friedhofs gestartet. Er sieht die Stadt in der Pflicht.
»Durch den Zustand des Friedhofs mit teilweise schon verfallenen Grabdenkmälern droht ein Teil der Geschichte dieser Stadt verloren zu gehen. Die Stadtgesellschaft sollte diesen Erinnerungsort nicht dem Verfall preisgeben und Verantwortung für die Geschichte der Münchner Juden übernehmen«, fordert der Politiker und hat einen entsprechenden Antrag im Stadtrat gestellt.
denkmal Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, würde eine derartige Lösung begrüßen. »Der Friedhof ist ein bedeutendes Denkmal der Stadtgeschichte, an dem sich der Aufstieg der Münchner jüdischen Gemeinde im 19. Jahrhundert ablesen lässt«, betont sie. Zugleich weist sie darauf hin, dass die Grabstätten jüdischer Bürger, die der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zum Opfer fielen und zwischen 1933 und 1940 auf dem Alten Israelitischen Friedhof beerdigt wurden, auch das dunkelste Kapitel der Stadt dokumentieren würden.
Stadtrat Mattar hat in seinem Antrag, in dem er Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) zu Gesprächen mit der Israelitischen Kultusgemeinde auffordert, auch auf die Kosten hingewiesen, die von der jüdischen Gemeinde aus eigener Kraft nicht zu tragen seien.
grabsteine Den Worten der IKG-Präsidentin zufolge liege das auch an dem hohen Alter der Grabsteine und Grabmäler. »Um sie zu erhalten«, so Charlotte Knobloch, »bedarf es einer aufwendigen, fachgerechten Behandlung.« Eine derartige Sanierung könnte ihrer Meinung nach den Verfall aber zumindest teilweise stoppen.
Der im Jahr 1816 eröffnete Alte Israelitische Friedhof wurde 1908 geschlossen. Seitdem finden jüdische Beerdigungen auf dem Neuen Israelitischen Friedhof statt. Unterbrochen wurde die Ruhe auf dem alten Friedhof nur dann, wenn ein Verstorbener in einem der vorhandenen Familiengräber bestattet wurde. Dies geschah im Lauf der Zeit aber zunehmend seltener. Auch diesen Aspekt hat Stadtrat Mattar berücksichtigt. »Es gibt immer weniger Angehörige, die die Gräber pflegen können«, heißt es in dem Antrag.
Der Friedhof erzählt vom Terror und der Angst während der NS-Zeit.
Die (vorerst) letzte Bestattung fand 2003 statt, als Erich Haas sel. A. an der Seite seiner Eltern die letzte Ruhestätte fand. Sein Vater war in der »Reichskristallnacht« nach Dachau verschleppt worden und kam zwei Wochen später ums Leben. Erich und seine Mutter Dora konnten emigrieren, kehrten aber nach dem Ende der Naziherrschaft nach München zurück.
Vom Terror und der Angst während der NS-Zeit erzählt der Friedhof auch auf andere Weise. Grabsteine wurden damals einfach zerstört und zum Teil als Baumaterial verwendet und entfernt. Chaim Frank, Leiter des Dokumentations-Archivs für jüdische Kultur und Geschichte, ging in der Festschrift zum 200-jährigen Bestehen der IKG näher auf diesen historischen Aspekt ein.
inschriften »Nach Kriegsende«, berichtet Frank, »konnten zwar einige Grabsteine wiederaufgefunden und zurückgeschafft werden, aber fehlende Grabplatten und Inschriften, die nicht rekonstruierbar waren, sind die stummen Zeugen der mörderischen Zeit.«
Auf der Internetseite muenchen.de ist der Alte Israelitische Friedhof mit seinen 6000 Grabstätten als eine der städtischen Sehenswürdigkeiten aufgeführt. Zutritt gewährt die Israelitische Kultusgemeinde aber nur noch im Rahmen von angemeldeten Führungen. Dabei erzählen Ellen Presser, die Leiterin der IKG-Kulturabteilung, oder Chaim Frank sowohl die Geschichte des Friedhofs als auch Geschichten über die Verstorbenen.
Oberbürgermeister Reiter hat sich zum Vorstoß der FDP bislang noch nicht geäußert. Er wird erst Ende August aus dem Urlaub und an seinen Schreibtisch zurückkehren.