Bevor die Besucher an Jom Jeruschalajim den Veranstaltungssaal im Gemeindezentrum betreten konnten, führte ihr Weg erst einmal durch die verschiedenen historischen Stationen Jerusalems. In »lebenden Bildern« hatten die Veranstalter Torah Mi-Tzion und die Zionistische Organisation Deutschland mit dem Studentenverband und der IKG wichtige Etappen gestaltet.
Der Rundgang begann mit Abraham und seiner Familie, hier war der Tempelberg, da war die Geschichte von den Brüdern, die der Legende nach den Ort für den Tempelbau gefunden haben, dort wurden die Zeit der römischen Herrschaft und schließlich die Soldaten bei der Wiedervereinigung der Stadt beim Sechstagekrieg präsentiert.
Raw Jechiel Brukner begrüßte anschließend die Gäste im Saal und führte durch einen harmonischen Abend mit Bildern, Liedern, Vorträgen und Eindrücken zu der Stadt am Berg Zion. Ein leidenschaftliches Bekenntnis zu Jerusalem und Israel legte Präsidentin Charlotte Knobloch ab.
»Wir, gerade die Juden in der Diaspora, kennen die Angst vor Vernichtung sehr gut. Genau dieses Gefühl, diese Angst spürten die Menschen in Israel im Jahre 1967 während des Sechstagekriegs. Umso größer war die Freude, die Erleichterung, als es der israelischen Armee gelang, die komplette Altstadt wieder in die Hände des israelischen Volkes zurückzuführen – Jeruschalajim wieder zu vereinigen.« Ihre Freude galt auch der Tatsache, »dass es gelungen ist, alle Münchner Vereinigungen, die sich intensiv um die Aufrechterhaltung und Stärkung unseres Bandes mit Israel verdient machen, heute hier zusammenzubringen.«
Auch dass viele junge Menschen zu der Feier gekommen waren, hob sie begeistert hervor. Der israelische Generalkonsul Tibor Shalev-Schlosser dankte zunächst Charlotte Knobloch für ihre Solidarität mit Israel und zeichnete dann ein sehr persönliches Bild seiner Heimatstadt, in der er auch studiert hat. Sie sei Symbol der Einheit und der Rückkehr. Sie vereine alle Kulturen und Religionen. Die Vielfalt sei verteilt über die ganze Stadt spürbar. Jerusalem sei auch die Stadt der Wünsche und der Träume.
Kotel Mit der Wiedervereinigung ist es möglich geworden, dass Juden wieder vor der Kotel beten können. Ebenso wie Charlotte Knobloch sprach auch Shalev-Schlosser von negativen Erfahrungen und Ressentiments: Vor einiger Zeit sei er bei einem Vortrag von einem Politiker gebeten worden, den Begriff »Eretz Israel« nicht zu gebrauchen, da dieser ein Hindernis im Friedensprozess darstelle. Er schloss seine Rede mit einem eindeutigen Bekenntnis: »Eretz Israel und Jerusalem sind wie Herz und Körper. Sie gehören zusammen.«
Rabbiner Arie Folger erinnerte daran, dass Gott Abraham dort segnete, wo später Jerusalem entstand. Seitdem komme der Segen Gottes für die Welt von dort. Für die Zionistische Organisation und für den Torah MiTzion-Verein Deutschland sprach deren Präsident Thomas Münz. Das Miteinander von Juden und anderen Einwohnern belegte er an der Bedeutung des Begriffes »Ger«. Dieser stehe nicht für Fremde, sondern für Mitbewohner, sofern sie die Gesetze eines friedvollen Zusammenlebens und gegenseitigen Respekts berücksichtigten. In diesem Sinne sei auch die Beziehung von jüdischen Israelis und der Minderheiten im Land zu sehen.
In eine beeindruckende Welt zwischen Psychologie, Sprachforschung und dem sensitiven Erleben Jerusalems führte schließlich der Vortrag von Gabriel Strenger. Der Psychologe und Sänger, der als Lehrbeauftragter an der Hebräischen Universität Jerusalem tätig ist, ging von dem Wort Jeruschalajim aus, das er sprachlich analysierte. Einen besonderen Stellenwert wies er dabei der dualen und pluralen Endung »jaim« zu.
Schöpfung Damit sei auf zwei Seiten von Jerusalem hingewiesen: die weltliche und die geistige Stadt. Die Stadt aus Stein und die Stadt der Schöpfung. »Es ist der Stein, aus dem Wasser kommt, das die ganze Welt tränkt.«
Wenn Jerusalem als das Zentrum der Welt bezeichnet wurde und werde, so sei das nicht konkret gemeint, sondern symbolisch: »Die Stadt und das Symbol sollen nebeneinander bestehen.« Gabriel Strenger setzte der Grammatik von Jeruschalajim die des Wortes »chajim« zur Seite. Auch hier gehe es um zwei Seiten in einem Begriff, unten wie oben – außen wie innen.
Seine Folgerung: »Nur wer beide Seiten des Lebens lebt, lebt das ganze chajim.« Gemeinsam mit Kantor Moshe Fishl trug Gabriel Strenger noch einige Lieder vor, in die schließlich alle Besucher des Abends einstimmten. Nach einem Filmgruß aus Jerusalem nach München wurde die Feier mit der Hatikwa beendet.