»Er war ein tief religiöser Jude in unserer Gemeinde Würzburg und Unterfranken, und doch war er als solcher nicht geboren«, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster in seinem Grußwort zur Ausstellungseröffnung Der Spurenfinder im Johanna-Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken über den 2014 verstorbenen Forscher Michael Schneeberger.
Eine schillernde Figur, die das Leben in all seinen Extremen erfahren hat. Ein Autodidakt ohne akademische Weihen, chronisch krank und ein Kämpfer, ein Sinnsucher und sensibler Spurenfinder – und der letzte Jude von Kitzingen.
Gesellschaft Früh schon spürte Schneeberger die Verlogenheit einer Gesellschaft, die nach der Schoa schnell zur Tagesordnung überging. Diesem »Schweigen über das beispiellose Verbrechen der Nationalsozialisten« hat er »seine stille und beharrliche Arbeit der Familien- und Heimatforschung entgegengesetzt«, wie Josef Schuster vor über 100 geladenen Gästen aus Politik und Kultur lobend ausführte.
Schon als Jugendlicher interessierte sich der evangelisch getaufte Schneeberger für das Schicksal der aus Kitzingen vertriebenen und ermordeten Juden, an die nur noch das Gebäude der ehemaligen Synagoge erinnert. Er erforschte intensiv die jüdische Geschichte seiner Heimatstadt, knüpfte Kontakte zu Emigranten in den USA und Israel und war auch der Mitinitiator für den Erhalt des jüdischen Gotteshauses, das nach dem Krieg als Lager genutzt wurde.
Franken Bald war Michael Schneeberger klar, er wollte selbst Jude werden und in Israel leben. Eine schwere Nierenerkrankung ließ eine dauerhafte Übersiedlung jedoch nicht zu. Mitte der 80er-Jahre konvertierte er, blieb in Kitzingen und machte die Erforschung des fränkischen und bayerischen Judentums zu seinem Lebensinhalt. Seine Ergebnisse publizierte er regelmäßig im Magazin »Jüdisches Leben in Bayern«. Dabei half er vielen Menschen, ihre Wurzeln zu entdecken.
Die Erinnerung an die Kitzinger Gemeinde und die auf dem jüdischen Friedhof in Rödelsee Bestatteten lagen ihm besonders am Herzen. Zusammen mit dem Designer und Fotografen Christian Reuther konzipierte Michael Schneeberger zu Beginn der 90er-Jahre die legendäre Ausstellung Nichts mehr zu sagen und nichts zu beweinen über dieses unterfränkische Gräberfeld, auf dem auch die Kitzinger Gemeinde über Jahrhunderte ihre Toten beerdigte. Seine biografischen Recherchen fasste Schneeberger in dem 2011 erschienenen Gedenkbuch Yiskor zusammen, in dem an die Opfer der NS-Verfolgung erinnert wird.
Familie 2019 wäre Michael Schneeberger 70 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass würdigt das Johanna-Stahl-Zentrum erstmals sein Leben und Werk. Die aus Schautafeln, Objekten und Videostationen bestehende Ausstellung beruht auf dem im Zentrum archivierten Nachlass des »Spurenfinders«, darunter 155 Ordner über ehemalige jüdische Gemeinden, 300 Mappen zu fränkisch-jüdischen Familien mit Dokumenten, Korrespondenzen und vieles mehr. Aber auch drei großformatige Fotografien von Grabsteinen aus Rödelsee werden in der sehenswerten Ausstellung gezeigt.
Zudem erinnern sich Weggefährten, seine Schwester Brigitte und der Würzburger Rabbiner Jakov Ebert an Michael Schneeberger und ermöglichen mittels einer Videoinstallation einen persönlichen Blick auf sein Leben und Werk.
»Er war eine bemerkenswerte Persönlichkeit«, die »leider zu Lebzeiten nicht die ihm gebührende Würdigung erfahren hat«, sagte Rotraud Ries, die Kuratorin und Leiterin des Johanna-Stahl-Zentrums. Die Ausstellung Der Spurenfinder holt das nunmehr nach.