Der TSV Makkabi Stuttgart hatte zum Purimball wieder einmal in den schönsten Bankettsaal der Stadt, die historische Alte Reithalle, eingeladen. Und wo im Oval des im Stil der italienischen Renaissance gebauten Gebäudes im 19. Jahrhundert edle Rösser ihre Runden drehten und zu Reitsportveranstaltungen eingeladen wurde, feierten etwa 400 Gäste – Mitglieder des Turn- und Sportvereins Makkabi und ihre Freunde – ein ausgelassenes Fest in Erinnerung an den Sieg des jüdischen Volkes im Persischen Reich vor fast 2400 Jahren.
Dazu hatte politische Prominenz die Schirmherrschaft übernommen, unter ihnen Yakov Hadas-Handelsman, Botschafter Israels in Deutschland, Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland, sowie Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, und Fritz Kuhn, Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart.
Tombola Zur mitreißenden Musik der Berliner Band Rosenthal & Friends tanzten auch Lara (10) und ihre Freundin Nili (12). »Es gefällt mir hier sehr gut, weil meine Freunde auch da sind«, war Lara begeistert. »Außerdem verkaufen wir später Lose«, ergänzte sie schnell. Denn wie immer präsentierten die Veranstalter vom TSV Makkabi Stuttgart ihren Gästen eine reich bestückte Tombola.
Nili kennt den Purimball schon seit Jahren. Und auch die geschichtlichen Hintergründe des Purimfestes waren beiden Mädchen bestens bekannt. »Schon im jüdischen Kindergarten haben wir Purim gefeiert und dann in der jüdischen Grundschule die Geschichte Esther jedes Jahr aufs Neue gelernt, wir kennen sie auswendig«, sagten die zwei.
Kindergarten und Grundschule sind Lara und Nili entwachsen. Inzwischen sind sie Gymnasiastinnen. Dass sie jüdisch sind, dass zu Hause Schabbat gefeiert wird, das haben sie dort zunächst nur einem kleinen Kreis von Vertrauten verraten. »Jetzt wissen es alle, und manchmal nervt es, wenn man sich erklären muss, also wenn wir frei bekommen, weil ein jüdisches Fest ansteht, ansonsten ist es okay«, erzählten Lara und Nili. Zu ihren Schulfreundinnen gehören nicht nur Christen, sondern auch muslimische Mädchen, aber »das stört nicht«, meinten Lara und Nili.
Mitglieder 290 Sportvereine gibt es in der baden-württembergischen Landeshauptstadt mit insgesamt 170.000 Mitgliedern. Da nimmt sich der 1979 durch Martin Widerker und weiteren 16 Männern und Frauen gegründete TSV Makkabi mit inzwischen 120 Mitgliedern eher klein aus. Doch auch in diesem Fall gilt: klein, aber oho. Denn wenn erstmals nach 20 Jahren Pause in diesem Jahr in Duisburg die Deutsche Makkabi- Meisterschaft wieder veranstaltet wird, starten sieben Tischtennisspieler und eine Fußballmannschaft aus Stuttgart. Darüber hinaus wirkt die Integrationsarbeit, die beim TSV Makkabi Stuttgart geleistet wird, in die bürgerliche Gesellschaft hinein.
»Sie glauben gar nicht, wie dankbar ich ihnen für ihre Arbeit bin«, bekannte Gabriele Müller-Trimbusch, ehemalige Bürgermeisterin und Vertreterin der Landeshauptstadt, als eine Festrednerin des Abends. »Einen wahren Segen für die Stadt«, bezeichnete Müller-Trimbusch auch die Offenheit der Mitglieder der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs in Stuttgart (IRGW). Und sie verriet, dass Martin Widerker, nicht nur Mitbegründer des TSV Makkabi, sondern auch seit 37 Jahren deren Vorsitzender, intern »Mister Makkabi« genannt wird.
Tanz Der so Geehrte forderte in seinem Grußwort die Ballgäste auf, zu tanzen, »bis die Socken qualmen«, fand jedoch auch ernste Worte anlässlich des Terrors in der Welt. »Wo es früher Persien war, von dem das jüdische Volk bedroht wurde, ist es heute der Iran«, sagte Widerker. Das jüdische Volk habe Schreckliches durchgemacht, sei aber immer wieder »wie durch ein Wunder gerettet« worden.
Erschrocken sei er auch »über den Rechtsruck in Deutschland«, sagte der TSV-Vorsitzende. Juden in Deutschland seien sich bewusst, dass bei den Aufmärschen der Rechten bald auch arabische Flüchtlinge mitmarschieren würden. »Arabische Regierungen haben ihren Bürgern vom Kindergarten bis zur Universität eingeprägt, dass sie Juden hassen und töten müssen«, sprach Widerker klare Worte. »Jude« sei heute durchaus ein Schimpfwort in einigen deutschen Sportstätten. »Wir passen auf, diesen menschenverachtenden Tendenzen wirken wir entgegen«, so Widerker.
Landessportbund Zum Purimball nach Stuttgart war auch Dieter Schmidt-Volkmar gekommen. Der Präsident des Landessportverbandes Baden-Württemberg versicherte: »Fairness spielt eine wichtige Rolle im Sport.« Auch gebe es seit Langem gute Kontakte zwischen Baden-Württemberg und Israel.
Parallelen zwischen der Historie und der Gegenwart zeigte Barbara Traub auf. »Zur Zeit Esthers waren Juden der Spielball der Interessen ihrer Feinde, heute ist es der Staat Israel«, so die Vorstandsvorsitzende der IRGW. Traub prangerte zudem die Doppelmoral deutscher Pegida-Demonstranten an: »Sie tragen die Israelflagge bei ihren Aufmärschen und protestieren im nächsten Atemzug gegen das Schächten und die Beschneidung.« An das Gebot von Purim, so lange zu trinken, bis man den bösen Haman nicht mehr vom guten Mordechai unterscheiden könne, hat sich in der Stuttgarter Alten Reithalle vermutlich niemand gehalten.
Doch die Fähigkeit, trotz ernster Zeiten ausgiebig zu feiern, war für die Ballgäste ein Muss. Nach der Stärkung am Gourmetbuffet und temperamentvollen Tanzrunden blieb auch genügend Gelegenheit, alte Bekannte zu treffen und neue zu finden.