Stadträte, Vertreter der Kirchen und vieler anderer Institutionen, Mitglieder des IKG-Vorstands und der jüdischen Gemeinde, Nachbarn, Freunde: Hunderte Münchner feierten am Sonntag vorvergangener Woche auf dem Jakobsplatz den ersten Abend von Chanukka und das Entzünden des ersten Lichts. Zur Freude, die mit dem Lichterfest verbunden ist, gesellte sich diesmal auch Nachdenklichkeit – mehr als in den Jahren zuvor.
Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, machte dies in ihrer Begrüßungsrede deutlich. »Wir sind zwar ins Herz der Stadt zurückgekommen, doch die Bedrohungen jüdischen Lebens sind nicht verschwunden, ganz im Gegenteil«, stellte sie fest und wies auf den Polizeischutz hin, der für die Chanukkafeier und alle anderen öffentlichen Veranstaltungen unverzichtbar sei.
Auch wenn »Hass und Verrohung« inzwischen zu einem »gesellschaftlichen Grundrauschen« geworden seien und das Vertrauen jüdischer Menschen in ihre Zukunft hierzulande schwinde, sei die Lage trotzdem nicht ganz hoffnungslos, sagte Knobloch. »So wie das erste Licht von Chanukka selbst die tiefe Finsternis des Winters überstrahlt, so gibt es auch in unserer dunklen Zeit Lichter der Hoffnung«, erklärte die langjährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde.
halle Knobloch sprach in diesem Zusammenhang das Attentat an Jom Kippur in Halle und die Reaktion der Münchner auf die antisemitisch motivierte Bluttat zwei Tage später an. Hunderte hatten eine Menschenkette um die Synagoge gebildet – als symbolischer Schutzschild gegen Hass, Verfolgung und Gewalt.
Charlotte Knobloch erwähnte die Solidarität nach dem Attentat.
»Das war für mich ein Moment, der mich wieder hoffen ließ und mir gezeigt hat, dass es trotz aller schlechten Nachrichten noch immer einen festen Kern an Menschen in unserer Stadt gibt, der für Vielfalt, für Respekt und für ein Miteinander eintritt«, stellte sie anerkennend fest.
Diese Grundhaltung forderte Charlotte Knobloch auch mit Blick auf die bevorstehenden Kommunalwahlen am 15. März in Bayern und mit Blick auf die AfD, die von Michel Friedman zu Recht als »Partei des Hasses« bezeichnet worden sei. »Wir dürfen nicht zulassen«, so die IKG-Präsidentin, »dass Mitglieder dieser Partei in den Stadtrat und die Bezirksausschüsse einziehen, um dort ihr Gift zu verbreiten.«
gesellschaft Dafür zu sorgen, dass die Politik nicht von Hass bestimmt wird, ist nach Überzeugung von Charlotte Knobloch Aufgabe der Gesellschaft. Jeder Einzelne müsse sich gegen die Feinde von Freiheit, Toleranz und Demokratie stellen, auch mit Beharrlichkeit und Ausdauer. Genau diese Parameter seien die wichtigsten Werte der Geschichte von Chanukka. »Sie zeigt«, sagte die Präsidentin, »dass auch in scheinbar ausweglosen Momenten die Hoffnung nicht aufgegeben werden darf – solange durch eigene Tatkraft und mit Gottes Hilfe noch etwas bewegt werden kann.«
Um Rabbiner Israel Diskin von Chabad Lubawitsch zur Entzündung des ersten Lichts fast acht Meter in die Höhe zu befördern, war wieder einmal die Hilfe der Feuerwehr gefragt, die wie in jedem Jahr eine Hebebühne zur Verfügung gestellt hatte.
Der beeindruckende Leuchter, der als einer der größten weltweit gilt, ist ein Werk des Künstlers Gershom von Schwarze. Ermöglicht wurde er durch eine Spende von Tita Korytowski im Gedenken an ihren verstorbenen Ehemann Manfred sel. A.
Die Chanukkia auf dem Jakobsplatz gilt als eine der größten weltweit.
Den Blick auf die beeindruckende Chanukkia vor der Kulisse der Ohel-Jakob-Synagoge und des Gemeindezentrums genossen auch viele Schoa-Überlebende und ihre Familienangehörigen. Etwa 300 von ihnen hatten zuvor im Gemeindezentrum an der »Internationalen Nacht der Überlebenden des Holocaust« teilgenommen, die von der Claims Conference vor zwei Jahren zum ersten Mal veranstaltet wurde. Zeremonien fanden zunächst in Israel, den Vereinigten Staaten und Deutschland statt, im vergangenen Jahr kam Russland, in diesem Jahr auch Frankreich hinzu.
verpflichtung Der Stellenwert, den die Claims Conference hat, die 1951 gegründet wurde und sich um Entschädigungszahlungen und die häusliche Betreuung von Holocaust-Überlebenden kümmert, war auch am Besuch von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) abzulesen. Bei der »Internationalen Nacht« versicherte er den Holocaust-Überlebenden und ihren Familienangehörigen, dass München als einstige »Hauptstadt der Bewegung« sich seiner besonderen Verpflichtung ihnen gegenüber bewusst sei.
Im Vorfeld der Münchner Veranstaltung, die von der Claims Conference und der IKG gemeinsam umgesetzt wurde, hatte sich Deutschland-Präsident Julius Berman dazu geäußert. »Wir werden die ›International Holocaust Survivors Night‹ weltweit ausbauen und den Überlebenden Tribut zollen, bevor die Letzten von uns gegangen sind.«
Auf die schwindende Zahl der Schoa-Überlebenden wies auch IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch als Gastgeberin der Internationalen Nacht und als Münchner Jüdin hin, die den Nazi-Massenmord selbst nur durch glückliche Fügungen überlebte. An die Anwesenden gewandt, sagte sie: »Ihre Stimmen sind heute so wichtig wie nie. Sie zu hören und wertzuschätzen, ist in dieser Zeit, da Judenhass sich wieder überall zeigt und jüdische Menschen wieder um ihre Zukunft und sogar ihr Leben in diesem Land fürchten müssen, so wichtig wie nie.«