Den Münchner Synagogenchor Schma Kaulenu gibt es seit 2003. Und von den Sängern der ersten Stunde sind einige nach wie vor aktiv dabei. Mit dem neuen Gemeindezentrum hat auch der Chor an Bedeutung und Anerkennung gewonnen, denn fast an jedem Schabbat begleiten die Männer die Liturgie. Auch ein Knabenchor hat sich inzwischen etabliert.
Der Wunsch zu wachsen, ist längst in Erfüllung gegangen – personell wie in Bezug auf das musikalische Repertoire. Kürzlich konnten die Münchner die volle Breite des gesanglichen Spektrums von Schma Kaulenu bei einem beeindruckenden Konzertabend im Hubert-Burda-Saal erleben. Chorleiter David Rees hatte dazu über die Chormitglieder hinaus bekannte Solisten gewonnen: Yoed Sore, Joshua Fein und Amnon Seelig. Außerdem gab der Tenor Nikola David sein Debüt mit dem Münchener Synagogenchor. Am Klavier wurden diese hervorragenden jüdischen Sänger von Luisa Pertsovska, der Musikpädagogin der IKG, begleitet.
Ladino Das Publikum erlebte Kleinode der jüdischen Musik in hebräischer, jiddischer und englischer Sprache sowie in Ladino und jemenitischem Hebräisch. Das Besondere an dem Münchner Synagogenchor Schma Kaulenu hatte Rabbiner Steven Langnas bereits in seiner Begrüßungsrede herausgestellt: Dirigent David Rees und Luisa Pertsovska setzten hier ständig ihr großes Talent und ihren tiefgeprägten Idealismus in die Tat um. Das Ergebnis ist, »dass das schöne Singen unserer Chormitglieder, der Männer und Knaben unserer Kehilla, unseren Gottesdiensten Schöheit und Würde verleiht. Unsere Gastso- listen heute Abend sind professionelle Sänger und Musiker, die unseren Chor hin und wieder ergänzen.«
Dabei freute eines Rabbiner Langnas ganz besonders: »Ich habe andere Synagogenchöre erlebt, bei denen professionelle Musiker und Solisten kommen, singen und wieder gehen. Sie betrachten diese Aufgabe als einen Job. Bei unseren Gastsolisten ist es anders. Mit der Zeit sind sie alle ein Teil unserer Gemeindefamilie geworden. Sie sind nicht bloß Gäste, sie sind ein Teil von uns.« Musik inspiriert, vereinigt. Das genießen zu können, ermöglichten Sponsoren, die Familie Lorenc: Karel, Tommy, Edith und Jonathan, Mischa und Tom und alle Enkelkinder aus München und New York. In Erinnerung an ihre im März 2010 verstorbene Ehefrau und Mutter haben sie die Irene-Lorenc-Stiftung ins Leben gerufen. Aus deren Mitteln soll das jüdische Leben der IKG mit zwei Veranstaltungen pro Jahr bereichert werden.
»Die Berührung zwischen Gott und der Seele ist Musik« zitierte Rabbiner Langnas Johann Wolfgang von Goethe. Und er fuhr fort: »Gerade Musik – und zwar jüdische Musik, ist ein passendes Mittel, um die Seele von Irene Lorenc in Erinnerung zu bringen – und ihre tiefe Verbindung zur jüdischen Religion, Tradition und Kultur zu zeigen.« Mit bewegenden Worten gedachte Karel Lorenc seiner Frau. Deren Familie stammt aus Mährisch Ostrau in der früheren Tschechoslowakei und der Region Krakau. Ihre Eltern, Valter Hoffmann, der ebenso wie Irenes Mutter Julia die Schoa in verschiedenen Konzentrationslagern überlebt hatten, pflegten ein jüdisches Haus und standen in Opposition zum kommunistischen Regime.
Flucht In einem Schauprozess in der Nach-Dubcek-Ära wurde der Vater wegen vorgeblicher Spionage verurteilt. Beide Eltern starben infolge dieses Prozesses. Mit der Wende im Jahr 1989 erfuhr Valter Hoffmann posthum späte Rehabilitation. Der einzigen Tochter Irene gelang mit Mann und drei kleinen Kindern in einer dramatischen Flucht der Weg nach Bayern. Zunächst lebte die Familie in Augsburg, wo sich die Dolmetscherin auch in der jüdischen Gemeinde engagierte. Ein besonderes Interesse von Irene Lorenc sel. A. galt den Immigranten aus der ehemaligen Sowjetunion – nicht zuletzt aus der eigenen Erfahrung unter kommunistischer Herrschaft.
Dass sich die Irene-Lorenc-Stiftung ganz besonders auch der jüdischen Weiterbildung gerade dieser Menschen widmen will, hat mit diesem Engagement zu tun. Die Familie will damit die Arbeit ihrer Mutter und Ehefrau fortsetzen. Karel Lorenc dankte beim Konzertabend Rabbiner Langnas und Präsidentin Charlotte Knobloch für die großzügige Unterstützung bei der Realisierung dieser ersten Veranstaltung.
Gleichzeitig hob er hervor, welche Brücke David Rees und die Chormitglieder und Solisten mit ihrem Gesang bauten: Auf diese Weise führten sie über die Liturgie und die Musik hin zum jüdischen Leben und einem wichtigen Stück Jiddischkeit. Wer das Konzert versäumt hat oder es zu Hause hören möchte: ein Mitschnitt des Abend ist geplant.