Etwa 200 Judaica sind überraschend im Depot des Museums für Franken in Würzburg aufgetaucht. Die Kultobjekte, mit denen einst Synagogen in der Region ausgestattet waren, werden ab 2018 in einer Ausstellung gezeigt.
Am Abend des 16. März 1945 war Würzburg Ziel eines schweren Luftangriffs. Wenige Wochen vor Kriegsende zerstörten Bomben mehr als 80 Prozent der Stadt. Das Mainfränkische Museum, das damals seinen Standort in der Altstadt hatte, stürzte teilweise ein und brannte aus. Dabei ging auch das Inventarverzeichnis, das den Bestand des Museums auflistete, in Flammen auf. Alle Stücke, die aus dem Schutt geborgen wurden, wurden nach der Bombennacht auf die Würzburger Festung Marienburg gebracht. Ein guter Teil davon landete im Depot.
Inventarisierung Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs befindet sich das heutige Museum für Franken auf der Burg. Objekte, die gut zu restaurieren waren, wurden in den 80er-Jahren entsprechend bearbeitet. »Viele andere Stücke blieben erst einmal weitgehend unbeachtet im Depot«, sagt Museumsleiterin Claudia Lichte. Erst 2016 startete ein Inventarisierungsprojekt, das die eingelagerten Bestände systematisch erfasst. Im Rahmen dieser Arbeiten kam jetzt ein überraschender Fund ans Tageslicht: Toraschilde, -aufsätze und anderer -schmuck, Chanukkaleuchter und Synagogenleuchter – insgesamt etwa 200 Kultgegenstände.
Die Judaica wurden überwiegend im 19. Jahrhundert angefertigt, als das jüdische Leben in Unterfranken nach der Vertreibung der Juden 1642 durch Bischof Philipp von Schönborn eine neue Blütezeit erlebte. Einst waren sie Teil der Ausstattung mehrerer Synagogen in Unterfranken. Nach dem Novemberpogrom 1938 wurden die Stücke von den Nazi-Behörden beschlagnahmt und in das damalige Museum in der Würzburger Innenstadt gebracht. Bernhard Purin, Direktor des Jüdischen Museums in München und Fachmann für Judaica, konnte sogar die genauere Herkunft mehrerer Objekte klären. Sie stammen in erster Linie aus den Synagogen in Arnstein, Ebelsbach, Gochsheim, Heidingsfeld, Schweinfurt und Würzburg. Aufschluss gaben die Stifternamen an den Gegenständen, die Purin entziffern konnte.
Stifter »Beispielsweise gibt es einen Toraschild, den der Würzburger Antiquitätenhändler Sigmund Felixberger aus Anlass der Barmizwa seines Sohnes Ernst gestiftet hat«, sagt Bernhard Purin. Ein relativ gut erhaltener Aufsatz wurde von den Gebrüdern Wiesengrund aus der Kleinstadt Dettelbach finanziert. »Bei den beiden handelt es sich um Onkel des Philosophen Theodor Wiesengrund Adorno«, erklärt Purin. Sicher ist, dass es sich um den umfangreichsten Judaica-Bestand handelt, der in den letzten Jahrzehnten in Deutschland wiederentdeckt wurde.
Die wertvollen, ursprünglich versilberten und vergoldeten Gegenstände befinden sich in sehr unterschiedlichem Zustand, sagt die Würzburger Museumsleiterin Claudia Lichte. »Einige Stücke sind recht gut erhalten, andere in mehrere Teile fragmentiert.« Im Rahmen eines Kooperationsprojektes des Museums für Franken und des Jüdischen Museums München wird der Fund jetzt im Detail untersucht.
Die Ergebnisse wird eine Ausstellung zeigen. Diese wird am 6. November 2018 zum 80. Jahrestag des Novemberpogroms 1938 im Museum in München eröffnet. Ab dem 4. Juni 2019 ist die Schau im Würzburger Museum zu sehen. »In der Ausstellung werden nicht nur die Kultgegenstände, sondern auch die Biografien der Stifter ein Thema sein«, sagt Bernhard Purin.