Jüdische Eltern wollen für ihre Kinder nur das Beste. Dies gilt vor allem auch für die Erziehung und Bildung, zumal die Tradition des Lernens im Judentum eine zentrale Rolle spielt. Daher ist es umso erstaunlicher, dass das Jüdische Gymnasium Moses Mendelssohn in Berlin über so viele Jahre die einzige jüdische Schule in Deutschland war, die ihre Schülerinnen und Schüler zur Allgemeinen Hochschulreife führte.
Mit der Neugründung eines weiteren jüdischen Gymnasiums setzt – 71 Jahre nach der Schoa – Düsseldorf nun ein Zeichen. Mehr als fünf Jahre hat es gedauert, bis die Jüdische Gemeinde Düsseldorf, die Stadt Düsseldorf und das Land NRW einen Konsens gefunden haben, die Genehmigungsverfahren abgeschlossen und die finanziellen Mittel gesichert waren.
chancen Gegner einer solchen Institution assoziieren mit einer jüdischen Schule Abschottung und Ghettoisierung. Aber genau das Gegenteil ist der Fall! Als die Jüdische Oberschule 1993 in Berlin gegründet wurde, war ihr eine nationale und internationale mediale Aufmerksamkeit gewiss. Mit Fug und Recht! In der heutigen Zeit, in der der Antisemitismus wieder erstarkt, nicht zuletzt auch durch die anti-israelische und anti-jüdische Sozialisation vieler Zuwanderer in ihren Herkunftsländern, birgt die Gründung eines weiteren jüdischen Gymnasiums, einer Schule für jüdische und nichtjüdische Schüler, große Chancen.
Das neue Gymnasium wird Kinder und Jugendliche verschiedenster jüdischer Richtungen zusammenbringen, orthodoxe, konservative, liberale oder säkulare, die mit Kindern anderer Konfessionen oder auch gänzlich ohne Religionszugehörigkeit gemeinsam unterrichtet werden. Für alle jüdischen Kinder, sei es, dass sie Vorwissen zu jüdischen Themen aus ihren Elternhäusern, dem jüdischen Kindergarten oder der jüdischen Grundschule mitbringen oder aber nur wenige oder gar keine Kenntnisse haben, bietet ein jüdisches Gymnasium die Möglichkeit, Wissen über das Judentum, über die jüdische Geschichte, Religion, Philosophie, Literatur und die hebräische Sprache zu erwerben, zu vertiefen und zu festigen. Eine solche Schule dient der Findung und Stärkung der Identität und des Selbstbewusstseins und wird dadurch auch auf das Leben der jeweiligen Familien nachhaltig Einfluss nehmen.
Nur wer weiß, woher er kommt, kann an Traditionen anknüpfen. Insofern wird das jüdische Gymnasium auch die Bindung zur jüdischen Gemeinschaft und zur jüdischen Gemeinde befördern und zugleich seine Schüler für potenzielle gesellschaftliche Probleme wie Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Antizionismus wappnen. Die Anerkennung des jüdischen Volkes und des Staates Israel muss für alle am Schulleben Beteiligten ein nicht zur Diskussion stehendes Faktum sein.
miteinander Eine besondere gesellschaftliche Relevanz kommt jedoch der Aufnahme nicht-jüdischer Schülerinnen und Schüler zu. Lernen in der Schule wird unter anderem durch den Austausch unterschiedlicher Argumente und das Infragestellen gängiger Meinungen bestimmt. Durch die tagtägliche Begegnung mit den jüdischen Klassenkameraden, den jüdischen Traditionen und Werten wird man sich sehr bald nicht mehr fremd sein. Nur wer den anderen kennt, wird ihn verstehen und lernen, ihn in seiner Andersartigkeit zu schätzen. Dies ist die Voraussetzung für ein gleichberechtigtes und respektvolles Miteinander.
Aufgabe des neu gegründeten Gymnasiums in Düsseldorf ist es, allen Schülerinnen und Schülern – egal welcher Herkunft, Religion oder Kultur – gleichermaßen Zugang zur jüdischen Religion wie auch zur deutschen Gesellschaft zu ermöglichen. Auch im Lehrplan des jüdischen Gymnasiums in Düsseldorf werden zur Erlangung der Allgemeinen Hochschulreife die allgemeinbildenden Fächer im Zentrum stehen müssen.
Dennoch wird eine jüdische Schule ihre Grundlage immer in der Tora und Tradition haben. So werden der jüdische Kalender beachtet, die Feier- und Gedenktage mit der gesamten Schulgemeinschaft begangen, die Speisegesetze eingehalten und vielleicht Unterrichtsgänge und Fahrten unternommen, die mit dem besonderen Profil der Schule zu tun haben.
werte Vor allem werden die jüdischen Werte im Schulalltag eine tragende Rolle spielen, wobei der Vermittlung sozialer Fähigkeiten und Kompetenzen eine besondere Bedeutung zukommt. Ziel ist es, zum friedvollen Zusammenleben von Schülern und gemäß Tikkun Olam zur Verbesserung unserer Welt beizutragen.
In diesem Zusammenhang wird das neue jüdische Gymnasium für die jüdische Gemeinde Düsseldorfs, für die Stadt und das Land NRW eine große Bereicherung sein und zum sozialen und kulturellen Leben innerhalb und außerhalb der jüdischen Gemeinde beitragen.
Der Neugründung eines Gymnasiums wird immer große öffentliche Aufmerksamkeit geschenkt. Im Fall der Düsseldorfer jüdischen Schule geht ihre Bedeutung jedoch weit über bloße Symbolkraft hinaus. Es ist die große Chance, dass wir Juden wahrgenommen werden als integraler Bestandteil der deutschen pluralistischen Gesellschaft. Deshalb: Öffnet die Pforten!
Die Autorin ist Pädagogin und leitete bis 2014 das Jüdische Gymnasium Moses Mendelssohn in Berlin.