Vor wenigen Minuten erst ist der Transport mit dem frischen Fisch aus Norwegen in der Lachsräucherei Balmi in Neukölln eingetroffen. Rund 1,6 Tonnen Lachs hat der Zwischenhändler auf dem Hof in der Lahnstraße abgeladen. Nun steht Heklik Hülya in der Halle der Lachsräucherei und streift routiniert das Eis von den Fischen. Danach legt die Angestellte sie in mit Wasser gefüllte Wannen. Den Kopf immer rechts, den Schwanz links.
Es ist sechs Uhr in der Früh an diesem Morgen, an dem die monatliche Lieferung aus Norwegen in Neukölln verarbeitet wird. »Viel Arbeit«, sagt Heklik Hülya und lacht. Die Berlinerin kennt sich gut in der Fischräucherei aus, seit mehr als 30 Jahren arbeitet sie bei Balmi. Bis Freitag schwammen die Fische noch in Norwegen, erklärt sie. Dann wurden sie geschlagen.
verarbeiten Als die Wannen mit Lachsen schließlich voll sind, beginnt Mathias Jacobs Arbeit. Der Berliner ist für das Verarbeiten des Fisches zuständig. Er nimmt mit einem Blick Maß, zu wenig darf er nicht abschneiden, aber auch nicht zu viel. »Jedes Gramm ist Geld wert«, weiß Jacobs. Mit einem scharfen Messer schneidet er den Fischen Kopf und Flossen ab. Die Köpfe lässt er in einen Eimer fallen, die Flossen werden mit Wasser weggespült. Zwischendurch spritzt er das Tier immer wieder nass ab. Dann schneidet er das Skelett raus, das in einen Plastikeimer kommt.
Rabbiner Yitzhak Ehrenberg beobachtet den Vorgang aufmerksam. »Die Fische sind ganz, wenn sie hier ankommen, sie haben Schuppen und Flossen – somit gelten sie als streng koscher, also koscher le mehadrin«, sagt Ehrenberg zufrieden. Da die gesamte Räucherei koscher ist, sei sie ein »sicherer Ort«.
Nachdem Mathias Jacob mit seinem Teil der Arbeit fertig ist, geht der Fisch an die nächsten Mitarbeiter weiter, die alle Gräten entfernen. Keine Maschine könne so genau arbeiten wie ihre Mitarbeiter, sagt Beba Ziegler, die Einkaufsleiterin der Räucherei. Erst wenn die Lachse grätenfrei sind, werden sie trocken gesalzen und danach kalt geräuchert.
gründung Vor etwa 40 Jahren hatte der Gründer der Lachsräucherei, Israel Mirnik, beschlossen, seine Heimatstadt Riga in Lettland zu verlassen. Ihn zog es nach Deutschland, damals lebten seine Eltern in Berlin. In Riga hatte er einen Lebensmittelmarkt koordiniert, doch seine Leidenschaft war schon immer Fisch. Er spielte mit dem Gedanken, eine kleine, aber feine Räucherei in Berlin aufzumachen. »Du bist nicht normal«, sagten ihm seine Freunde, wie sich seine Lebenspartnerin Beba Ziegler erinnert.
Doch er ließ sich nicht abbringen, suchte geeignete Räume und fing an. Mit 500 Gramm Lachs in der Kühltasche besuchte er die Delikatessenabteilung des KaDeWe. Er wollte den zuständigen Mitarbeiter davon überzeugen, seinen Fisch ins Sortiment aufzunehmen. Doch der kümmerte sich nicht, sagte nur, er solle ihn dalassen und er würde sich melden – was er nicht tat. Mirnik aber ließ sich nicht entmutigen. Er fuhr wieder ins KaDeWe und schaffte es, dass der Mitarbeiter den Fisch probierte.
Von diesem Moment war die siebte Etage ein Vertragspartner, so Ziegler. Hotels, Restaurants und der Groß- und Einzelhandel sind heute ebenfalls Abnehmer. Im »Tante-Emma-Laden«, wie Ziegler den kleinen Verkaufsbereich auf dem Hof nennt, werden ebenfalls Lachse aus Norwegen und Schottland sowie Makrelen, Heringe und schwarzer Heilbutt verkauft.
gewürze Nach etwa drei Stunden Entgräten und Waschen sind die Lachse so weit, dass sie gesalzen werden können. Dann kommen noch einige Gewürze dazu. »Aber wie wir das genau machen, das sind unsere Geheimnisse«, so Ziegler. Auf der Basis von Buchen- und Erlenspänen hängen die Fische bei 18 bis 20 Grad in der Räucherkammer – etwa 24 Stunden lang. Nach dem Räuchern muss der Lachs noch reifen, einige Tage bei drei Grad in der begehbaren Kühlkammer. Fertig ist der Fisch erst nach vier Tagen, am Donnerstag.
Um von der Räucherei leben zu können, brauche man einen langen Atem, meint Ziegler. Die Ärztin kam 1983 aus Kroatien und lernte einige Jahre später Israel Mirnik kennen. Ab und zu half die 53-Jährige ihm in seinem Betrieb. Erst vor drei Jahren entschied sie sich, ganz mit einzusteigen und alles zu lernen. »Die Mitarbeiter waren skeptisch. Aber ich konnte nicht anders, der Betrieb war Israels Lebenswerk.«
Und das wollte sie nach seinem Tod weiterführen. Aber ohne die Unterstützung von Peter Griebel, dem jetzigen Geschäftsführer und langjährigen Küchendirektor des Estrel-Hotels, wäre alles den Bach runtergegangen, ist Ziegler überzeugt.
Überhaupt hatte sie öfter Bedenken, ob sie das alles schaffen würde. Immer wenn sie etwas Neues gelernt hat, besucht sie das Grab von Mirnik auf dem Friedhof Heerstraße. Erst vor wenigen Tagen war sie da. »Ich habe einen ganzen Fisch entgrätet«, teilte sie ihm da stolz mit.