Das erste Zuhause des Menschen war ein Garten voller Bäume. »Von der Schöpfungsgeschichte an erzählt die Tora von einer engen Beziehung zwischen Mensch und Natur«, sagt der Frankfurter Rabbiner Julian Chaim Soussan. Vielleicht liege es daran, dass »wir das einzige Volk der Welt sind, das ein religiöses Gebot befolgt, indem es Bäume pflanzt«, meint er.
Für den Gemeinderabbiner, dessen Aufgabe es insbesondere ist, die Kinder und Jugendlichen mit den Traditionen des Judentums vertraut zu machen, besteht der Sinn von Tu Bischwat darin, dass »Juden weltweit mit diesem Fest in jedem Jahr ihre Verbindung zum Land Israel erneuern und vertiefen.
Damit dieses Land weiter wächst und gedeiht, spenden wir Geld, mit dem der Jüdische Nationalfonds KKL dort Bäume anpflanzen kann.« 240 Millionen sind es inzwischen. Damit ist Israel der einzige Staat auf der Welt, in dem es am Ende des 20. Jahrhunderts mehr Bäume gab als zu dessen Beginn. Tu Bischwat, das Neujahrsfest der Bäume, lenkt dabei den Blick der Menschen wieder auf die Natur.
Wetterverhältnisse Da macht es auch nichts, dass hierzulande an Tu Bischwat häufig klirrende Kälte, Nässe und Nebel herrschen. »In Israel blühen jetzt die ersten Mandelbäume, sichtbares Zeichen eines Neubeginns. Und die Hoffnung darauf ist ein wichtiges Moment in der jüdischen Geschichte«, sagt der 45-Jährige. Doch es gelte auch zu fragen: »Was mache ich mit der Natur in meiner unmittelbaren Umgebung?«
Insofern begrüßt der Rabbiner die Frankfurter Tradition, zum Neujahrsfest der Bäume mit den Kindern in den Palmengarten zu gehen, damit die Kleinen dort im Gewächshaus lernen können, wie man selbst Bäumchen in einen Topf setzt. Bei manchen Frankfurter Familien sind aus diesen zarten Pflänzchen mittlerweile üppig wuchernde Gewächse geworden.
Den Seder-Abend an Tu Bischwat möchte Rabbiner Soussan dieses Mal im Frankfurter Altersheim verbringen. Er wird außerdem in dieser Woche beide Frankfurter Gemeindekindergärten besuchen und mit den Kleinen darüber sprechen, wie nahe sich im Grunde Mensch und Baum sind. »Ist der Mensch ein Baum auf dem Felde?«, so wie es in der Tora heißt, wird der Rabbiner die Kinder fragen.
Denn beide, so erklärt er ihnen, brauchen feste Wurzeln, mit denen sie im Erdreich oder aber in der jüdischen Tradition Halt finden, genauso wie sie das Licht Gottes benötigen. »Licht war das Erste, was Gott geschaffen hat«, sagt Soussan. Nicht umsonst spreche man außerdem vom »Wasser der Tora«: Sie ist genauso lebensnotwendig und ihr Mangel nicht weniger schädlich. Aber auch das vierte Element Luft ist wichtig: Schließlich war es der Atem Gottes, der dem Menschen eine Seele eingehaucht habe.
Natur Für den Rabbiner ergeben sich aus der Schöpfungsgeschichte unmittelbare Hinweise auf den richtigen Umgang mit der Natur: sorgsam mit allen Ressourcen umzugehen. »Mensch, sei vorsichtig mit der Natur, sonst ist am Ende niemand mehr da, sie zu reparieren«, zitiert der Rabbiner einen bekannten Midrasch, der ihm besonders am Herzen liegt.
Dass die Äcker und Felder alle sieben Jahre ruhen sollen, damit sie sich erholen können, sei ein Beispiel, erläutert Soussan, genauso wie das Verbot, Bäume zu Kriegszwecken oder bei Belagerung zu fällen. Tu Bischwat selbst habe auch einen simplen ökologischen Nutzen: »Mit der Festlegung des Datums für Tu Bischwat wird auch das Alter der Bäume zählbar. Nur so ist es möglich, sich an die Vorschrift zu halten, in den ersten drei Jahren an einem Baum keine Früchte zu ernten, sodass er in seinem Wachstum und Reifen nicht beeinträchtigt wird.«
Auch der Schulchan Aruch sei als Reflexion über Umweltschutz zu lesen. Darin wird vor vier Belästigungen gewarnt, mit denen man seine Mitmenschen verschonen sollte: Rauch, schlechter Geruch, Staub und Vibrationen. Heute sind es die Autoabgase laufender Motoren oder aber das allseits gegenwärtige Vibrieren der Mobilfunktelefone.