Purim

Rauschende Partys

Auch wenn der Vorsitzende noch fehlt, die Festgäste dürfen schon tanzen. Bei keinem anderen Ball in Stuttgart wäre möglich, was Purim erlaubt: das Protokoll auf den Kopf zu stellen und vor den Eröffnungsreden schon einmal das Parkett zu stürmen. Der TSV Makkabi Stuttgart hatte am Wochenende zu seinem 35. Purimball in den großen Saal des Hotels »Le Méridien« geladen.

Die Gäste der Jubiläumsveranstaltung – nobel und festlich gekleidet – vergnügten sich schon einmal, während Martin Meir Widerker, Erster Vorsitzender des TSV Makkabi, noch mit dem Lesen der Megillat Esther in der Synagoge beschäftigt war. 400 Menschen warteten sehnsüchtig auf die erste Hora – gespielt von der aus Berlin angereisten Band Rosenthal & Friends.

»Ich hab’ mir von Meir die Erlaubnis geholt«, erzählt Mina Gampel lachend und stürmt als eine der ersten Tänzerinnen in die Saalmitte. Keine zwei Minuten später als die stellvertretende Vorsitzende von Makkabi Stuttgart ist auch Barbara Traub, Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft, auf der Tanzfläche. Weitere Honoratioren und Gäste folgen ihr – die Fotografen haben ihre Motive.

Hora »Purim besagt, wir sollen trinken, bis wir den bösen Haman vom guten Mordechai nicht unterscheiden können«, sagt Barbara Traub, als nach etlichen Hora-Runden die Zeit für die Begrüßung gekommen ist. Den Vorschlag in die Tat umzusetzen, verbietet sich allein schon bei den Weinpreisen in diesem Nobelhotel. Und so mancher Gast hat das »Ohne-Sinne-Sein« auch schon mal missverstanden. Doch das Purimfest ist zweifellos das fröhlichste im jüdischen Kalender. Die bestens aufgelegten Mitglieder von Makkabi Deutschland am Nachbartisch machen es vor. Extra aus Frankfurt angereist, tanzen sie mit einer Ausgelassenheit, die ansteckend wirkt.

»So viele Purimbälle wie in Stuttgart gibt es nicht oft in Deutschland«, sagt Josef Schuster. Mit Optimismus und Weitsicht sei im Jahr 1979 in Stuttgart der TSV Makkabi als Verein gegründet worden, so der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. »Ich freue mich sehr und finde es erstaunlich, dass mit Martin Widerker und mit Mina Gampel ein Mann und eine Frau der ersten Stunde hier sind und mit ihren Helfern ein solches Fest auf die Beine stellen«, stellt Schuster fest. Judentum heute, sagt er als einer der Schirmherren des Jubiläums-Purimballes, sei nicht nur Erinnerung an die Schoa. Judentum heute sei auch Lebensfreude, sei »Frejlichkeit«.

Spiele Purim auch mit Nichtjuden zu feiern, »mit allen, die sich keinerlei Form politischer Unterdrückung beugen wollen«, dafür warb Vereinsvorsitzender Martin Widerker. Er dankte in seiner Begrüßung nicht nur den vielen Helfern des Festes, sondern auch der Stadt Stuttgart. »Sie überlässt uns mehrere Sportplätze zu günstigen Konditionen«, so Widerker. Makkabi ist vor allem ein Verein, in dem Juden und Nichtjuden miteinander Breitensport betreiben.

Aber schon fiebern in ganz Deutschland die Makkabianer den ersten Europäischen Makkabi-Spielen in Deutschland nach 1945 entgegen. 156 Mitglieder hat der TSV Makkabi Stuttgart. Etwa zehn werden zur Vorauswahl für die Teilnahme in Berlin 2015 noch in diesem Jahr zu Entscheidungsspielen entsandt. »Wir machen uns Hoffnung, dass sich Wettbewerbsteilnehmer aus Stuttgart in den Sparten Tischtennis, Schach und eventuell Tennis für die Spiele qualifizieren können«, sagt Vereins-Pressesprecher Ischo Rosenberg.

Festkalender »Ein unerreichbarer Höhepunkt im Festkalender Baden-Württembergs ist der Stuttgarter Purimball«, meint Gabriele Müller-Trimbusch. Miteinander zu tanzen und zu feiern sei keine Selbstverständlichkeit, so die ehemalige Bürgermeisterin. »Juden hatten die Weitsicht und haben uns die Hand gereicht, dafür bin ich ihnen zutiefst dankbar«, betont Müller-Trimbusch. Begeistert applaudiert nicht nur sie nach der Aufführung des Jugendzentrums Halev. In einer Tanz-Musikcollage mit Jazzdance, Rap und traditionellen Sequenzen zeigen sie noch einmal ihre Jewrovision-Show zum Thema »Bar Mitzwah«.

Doch dann war es Zeit, sich mit Gemüse und Fischspezialitäten vom Gourmet-Buffet zu stärken. Mit einer großen Tombola, deren Erlös der Integrationsarbeit des TSV Makkabi zugutekommt, und vielen Tanzrunden feierten die Ballgäste bis in den frühen Morgen ihr rauschendes Fest.

Frankfurt/Main

»Mein Herz blutet«

In Israel herrsche »Balagan«, Chaos, sagt Chaim Sharvit. Er steht hier denen zur Seite, die zum ersten Jahrestag des 7. Oktober dunkle Gedanken haben. Ein Besuch in Deutschlands größtem jüdischen Altenheim in Frankfurt

von Leticia Witte  14.10.2024

Gedenkveranstaltung

Steinmeier: Wer überlebt hat, trägt schwer an der Last

Fünf Jahre nach dem rechtsextremen Anschlag besucht Bundespräsident Steinmeier die Tatorte.

 09.10.2024

Frankfurt

Graumann und Grünbaum zur Doppelspitze in der Frankfurter Gemeinde gewählt

Den Vorstand vervollständigen Rachel Heuberger, Daniel Korn und Boris Milgram

von Christine Schmitt  09.10.2024

Berlin

»Ein bewegender Moment«

Am Donnerstag fand in Berlin die feierliche Ordination von zwei Rabbinerinnen sowie sechs Kantorinnen und Kantoren statt. Doch auch der monatelange Streit um die liberale Rabbinatsausbildung in Deutschland lag in der Luft

von Ralf Balke  09.09.2024 Aktualisiert

Neue Potsdamer Synagoge

Am Freitag wird der erste Gottesdienst gefeiert

Nach der feierlichen Eröffnung im Juli soll nun das religiöse Leben in der Synagoge in Potsdam langsam in Gang kommen. Am Wochenende sind erste Gottesdienste geplant

 06.09.2024

IKG

»Ein großer Zusammenhalt«

Yeshaya Brysgal zieht nach einem Jahr als Jugendleiter eine positive Bilanz und plant für die Zukunft

von Leo Grudenberg  04.09.2024

Keren Hayesod

»Das wärmt mir das Herz«

Der Gesandte Rafi Heumann über seinen Abschied von Berlin, deutsche Spielplätze und treue Spender

von Christine Schmitt  04.09.2024

Porträt der Woche

Sinn ernten

Caro Laila Nissen half nach dem 7. Oktober Bauern in Kibbuzim nahe Gaza

von Lorenz Hartwig  01.09.2024

Frankfurt

Dinner mit den »Zweiflers«

Die Jüdischen Filmtage überzeugen durch ein breites Spektrum an Angeboten

von Johanna Weiß  30.08.2024