Münster

Raum schaffen für Kultur

Vor 50 Jahren wurde die Synagoge im westfälischen Münster ihrer Bestimmung übergeben. Die geplante große Jubiläumsfeier hat die jüdische Gemeinde allerdings verschoben. In den kommenden Monaten wird das Gemeindezentrum für etwa eine Million Euro ausgebaut. »Wir platzen aus allen Nähten« berichtet Sharon Fehr, seit 1994 Vorsitzender der Gemeinde. Mehr als 750 Mitglieder zählt die Gemeinde.

Der Gebäudekomplex war vor gut 50 Jahren für eine deutlich kleinere Gemeinschaft gebaut worden. Durch die Zuwanderung von Juden aus der ehemaligen GUS vergrößerte sich auch die Münsteraner Gemeinde. »Dieses Wachstum hat zu einer Renaissance jüdischen Lebens in Münster geführt – aber auch zu einer Veränderung des Selbstverständnisses. Wir haben sogar unseren Namen geändert«, berichtet Fehr.

Name geändert Aus »Jüdische Kultusgemeinde« wurde »Jüdische Gemeinde«. »Der Begriff Kultus war zu eng. Natürlich bleibt Religion die Basis. Aber wir sind für unsere Mitglieder mehr, fast eine Art Dienstleister«, erläutert der Vorsitzende. Eine Sozialarbeiterin hilft bei der Suche nach Kindergartenplätzen, Jobs oder Weiterbildungsangeboten. Regelmäßig gib es im Gemeindezentrum Sprach- oder Religionsunterricht. Neben Religion und Sozialarbeit ist das breite Kulturangebot die dritte Säule der Gemeindearbeit.

Für Fehr ist die jüdische Gemeinde gut ins lokale Umfeld integriert. »Wir haben ein gutes Ansehen in der Stadt.« Die 1957 gegründete Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit mit derzeit etwa 600 Mitgliedern flankiert die Arbeit. Zudem öffnet sich die Gemeinde selbstbewusst ihrem Umfeld. »Seit 2009 entzünden wir etwa den Chanukka-Leuchter öffentlich auf einem Platz in der Innenstadt, erstmals in der 800-jährigen Geschichte des Judentums in dieser Stadt«, sagt Fehr stolz.

Die Adresse des Gemeindezentrums in der »Klosterstraße« ist typisch für die katholische Bischofsstadt. Das namensgebende Kloster gibt es nicht mehr. Heute ist die Lage an der Promenade, wie der Grüngürtel rund um die Innenstadt heißt, eine begehrte und zentrale Wohnlage. Das Grundstück, auf dem die heutige Synagoge steht, war schon einmal über Jahrzehnte hinweg Mittelpunkt jüdischen Lebens: Von 1880 bis 1938 stand hier bereits eine große Synagoge, bis diese den Flammen der Pogromnacht zum Opfer fiel.

Seit Mitte des 12. Jahrhunderts ist eine jüdische Gemeinde in Münster bezeugt. In den folgenden Jahrhunderten gab es nur kurze Blütezeiten – auf die mehrfach Vertreibung folgte. Erst das 19. Jahrhundert und die volle rechtliche Emanzipation der jüdischen Bürger ab 1848 ließen in der damaligen Provinzialhauptstadt eine große Gemeinde entstehen. Als der frühere Synagogenbau in der Klosterstraße 1880 eingeweiht wurde, zählte die Gemeinde 400 Juden, 1930 waren es 700.

Rückkehr Nur wenige Monate nach Kriegsende kehrte jüdisches Leben in das Münsterland zurück. Schon am 7. September 1945 fand in Warendorf ein erster Gottesdienst statt. Ab 1949 nutzten die Warendorfer und Münsteraner Juden das wiederhergestellte Gebäude der Marks-Haindorf-Stiftung in Münster. Die hatte der jüdische Reformer Alexander Haindorf 1825 als Verein gegründet. Die Barmizwa des Warendorfers Paul Spiegel sel. A. am 6. Januar 1951 in Münster war die erste in Nordrhein-Westfalen nach der Schoa.

1960 zählte die Gemeinde 130 Mitglieder. Sie beschloss den Bau eines neuen Gemeindezentrums und wählte dafür das brachliegende Grundstück der alten Synagoge. Der Kölner Architekt Helmut Goldschmidt plante sie. An den quer zur Straße stehenden zweistöckigen Synagogenbau schmiegt sich einstöckig das Gemeindezentrum mit Rabbinat, Gemeindesaal, Unterrichtsräumen und Mikwe.

Anerkennung Während sich die Lokalprominenz von Regierungspräsident bis Oberbürgermeister bei der Einweihung der Synagoge 1880 noch rar gemacht hatte, war die festliche Einweihung am 12. März 1961 durch Landesrabbiner Hans- Channoch Meyer ein Großereignis, für das Gäste aus dem In- und Ausland und ein Minister anreisten. Für die beiden raumhohen Glasfenster in der Ostwand stiftete damals der studentische Madrigalchor der Universität die Erlöse einer USA-Tournee.

Jetzt soll ein Flügel der Anlage aufgestockt werden. Bis zu 300 Gäste wird der neue Mehrzweckraum fassen. »Gemeindemitglieder haben sich über zu viel Gedränge beklagt und blieben deshalb teilweise den Veranstaltungen fern«, begründet Fehr unter anderem den Wunsch nach mehr Platz. Die Anlage wird behinderten- und seniorengerecht ausgebaut. »Die alternde Gesellschaft macht auch vor der jüdischen Gemeinde nicht halt. Darauf müssen wir uns einstellen«, sagt Fehr. Die Gemeinde wartet derzeit auf die letzten Förderzusagen. »Sobald die vorliegen, geht es los«, kündigt der Vorsitzende an und rechnet mit sechs Monaten Bauzeit. »Und danach gibt es ein großes Fest«, verspricht Fehr.

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