Auch in Kassel treten seit Dezember jeden Montag sogenannte Islamkritiker auf, die sich hier »Kassel gegen die Islamisierung des Abendlandes« – kurz Kagida – nennen. Die Gruppierung weise »einen wesentlichen Anteil aus dem eindeutig rechtsradikalen Spektrum« auf, stellt das Mobile Beratungsteam gegen Rassismus und Rechtsextremismus Hessen in einer aktuellen Expertise fest.
Für Montag hatte ein breites gesellschaftliches Bündnis zu einer Demonstration vor dem Rathaus aufgerufen, die unter dem Motto »Ein Deutschland für alle – Kassel bleibt weltoffen« stand. Zu den Unterzeichnern des Aufrufs »gegen religiösen Fanatismus, Rassismus und Antisemitismus« gehörte neben den Parteien, Kirchen, Gewerkschaften und weiteren Organisationen auch die jüdische Gemeinde.
Sonntagsdemo Kagida hatte seine wöchentliche Demonstration auf den Sonntag verlegt, etwa 50 Aktivisten posaunten ihre Parolen umringt von einer Überzahl an Gegendemonstranten heraus. Während die Zahl der Kagida-Anhänger schrumpft, steigt inzwischen die ihrer Gegner.
Am Montag ging die Polizei von rund 2000 Teilnehmern aus. Gemeindevorsitzende Ilana Katz freute sich, »dass so viele Menschen ein Zeichen für ein friedliches Zusammenleben setzen«. Sie erinnerte daran, dass »Frieden eines der wichtigsten Ziele der jüdischen Religion« ist. Die Vorsitzende mahnte jedoch auch, dass der Antisemitismus nicht verschwunden sei, er habe lediglich eine andere Form angenommen. »Der moderne Antisemitismus sagt ›Israel‹, er meint aber ›die Juden‹ – und das sind wir!«
Katz erinnerte daran, dass bei den propalästinensischen Demonstrationen im Sommer vergangenen Jahres keine Terroristen auf den Kasseler Straßen antisemitische Parolen skandiert hätten. »Es waren Leute aus den Reihen der Linken und der Muslime.« Dankbar sei sie jedoch dafür, dass die Gemeinde damals in Kassel auch »viele gute Freunde« hatte.
Redner Andere Redner, wie Martin Sonntag, Chef der Kasseler Caricatura, riefen dazu auf, sich der grassierenden Angst zu widersetzen und nach den Anschlägen in Paris weiter für Pluralität und die Freiheit der Kunst zu kämpfen. Universitätspräsident Rolf-Dieter Postlep verwies darauf, dass es für die Hochschule als »international ausgerichteter Mikrokosmos« geradezu existenziell sei, dass Menschen aus aller Welt ohne Angst in die Stadt kommen.
Trotz der allwöchentlichen Vorkommnisse bei den Kagida-Demonstrationen beschwor Oberbürgermeister Bertram Hilgen (SPD) die Weltoffenheit Kassels. Sie sei »gelebte Realität«. Rassismus und Antisemitismus hätten in der Stadt keine Heimat.
Im Vorfeld der Demonstration am Montag hatte es außer Zustimmung auch Kritik gegeben. Der Kreisverband der Partei Die Linke warf Hilgen vor, er beteilige sich viel zu spät an einer Demonstration gegen Kagida. Deshalb weigerte sich die Linke dann auch, den Aufruf zur Demonstration zu unterzeichnen.
Hebräisch Das Bündnis gegen Antisemitismus (BgA) merkte an, dass bei den Willkommensgrüßen, die von der Stadt im Vorfeld in mehreren Sprachen ausgegeben worden waren, der Gruß auf Hebräisch fehlte. »Diese Lücke«, heißt es in einer BgA-Erklärung, »steht symptomatisch für das Unverständnis von und den Umgang mit Antisemitismus.«