Gideon Joffe fühlte sich sichtlich wohl, als er die Bima der Synagoge Rykestraße betrat, die am vergangenen Samstagabend zur Bühne geworden war. Der Vorsitzende der Berliner Gemeinde erklärte auch, warum er so gut gelaunt war.
Zu seinen Pflichten gehöre es, oft zu traurigen Anlässen zu sprechen. Man könne vermuten, dies sei längst ein Routineakt. Ihn aber nehme es jedes Mal noch so mit, als wäre es das erste Mal. Umso mehr sei es ihm ein Vergnügen die diesjährigen Jüdischen Kulturtage zu eröffnen.
bezug Sieht man sich das Programm des 19-tägigen Festivals an, so nimmt es Bezug auf zwei sehr gegensätzliche Ereignisse. Da ist zum einen der 80. Jahrestag der Pogromnacht. Viele Künstler wie etwa die Schauspielerin Dagmar Manzel und der Countertenor Jochen Kowalski widmen ihre Liederabende jüdischen Textdichtern und Komponisten, deren Werke nach dem 9. November 1938 in diesem Lande verboten wurden.
Das zweite Ereignis, welches in einem direkten Zusammenhang mit dem ersten steht, ist die Gründung Israels zehn Jahre später. Und so werden drei hochkarätige Vertreter der israelischen Musikszene nach Berlin kommen: die Soulsängerin Ester Rada, der Folk-Pop-Musiker David Boza und der vielschichtige Jazzmusiker Avishai Cohen.
Und natürlich hat auch die jüdische Gegenwartskunst ihren Platz im Programm gefunden. Adriana Altaras stellt ihren neuen Roman Die jüdische Souffleuse vor, das Künstlerduo Sharon Brauner und Karsten Troyke kommt mit weiteren Künstlern zu einer Neuauflage des humoristisch-musikalischen Abends »Lerne lachen, ohne zu weinen« zusammen. Ein Programm der Vielfalt also, das am Samstag in der Rykestraße mit einem Paukenschlag begann.
percussion Dabei war der Paukenschlag, mit dem das siebenköpfige A-cappella-Ensemble Y-Studs auftrat, gar keiner. Gleich zu Beginn wird das Publikum darauf hingewiesen, dass alles, was an diesem Abend zu hören sein würde, ausschließlich stimmlichen Leistungen entspringe. Und eines der Ensemblemitglieder schlägt auf diese Weise nicht nur auf die Pauke, sondern stellt mit seiner Stimme ein ganzes Percussion-Ensemble her, was das Publikum zu Begeisterungsstürmen animiert.
Der Name der Gruppe hat seinen Ursprung in der Yeshiva University in New York, wo die jungen Männer sich vor ein paar Jahren kennengelernt haben. Bald fanden sie heraus, dass es ein schöner Ausgleich zum Torastudium sei, mehrstimmige Gesänge einzustudieren. Dabei greifen sie einerseits auf jüdisches Liedgut zurück und setzen es in einen zeitgemäßen Stil: Rap, Rock, Pop, kurzum all das, womit man auf Barmizwa-Partys das Publikum zum Hüpfen bringt. Überraschend intonieren sie dann aber auch eine hebräisch-englische Version des Beatles-Klassikers »Let It Be«.
Am Ende des Konzerts sagt Yaakov Freylakh, Kantor der Synagoge Rykestraße, zur Jüdischen Allgemeinen: »Das war musikalisch höchstes Niveau mit sehr komplexer Mehrstimmigkeit und anspruchsvollem schnellen Wechsel von Takt und Tonarten. Für die Konzertgäste schienen vor allem die Stücke ein besonderer Genuss zu sein, die das Ensemble ohne jegliche Mikrofontechnik vortrug. Man konnte den natürlichen Klang der Stimmen hören und emotional mitschwingen.«
balagan-day Am Sonntag lud dann die Gemeinde zum familiären »Balagan Day« ins Gemeindehaus. Es war vor allem ein Fest für die Kinder, und das nicht nur an den Mal- und Basteltischen. Auf der Bühne standen junge Jazz- und Swingmusiker und Sängerinnen im Teeniealter mit bemerkenswerten Stimmen.
Auch am letzten Tag der diesjährigen Kulturtage wird für Kinder und deren Eltern etwas geboten: Andreas Peer Kähler wird unter dem Titel »Felix – der glückliche Mendelssohn« ein Kinderkonzert zum Mitmachen veranstalten. Am Abend wird das Festival dann mit Ester Rada und ihrer Band dort zu Ende gehen, wo es begonnen hat: in der Synagoge Rykestraße.