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Berlin-Tiergarten

Ponchys à la Faradjew

Keine Angst haben, einfach machen – das ist das Motto von Mark und Sharon Faradjew. Die beiden Männer haben im Juli ihren ersten Imbiss eröffnet. Küchenerfahrung hatten sie bis dahin keine, dafür aber eine große Portion Mut. »Wir sind anfänglich nach der Arbeit mit Rückenschmerzen nach Hause gegangen«, sagt Sharon Faradjew und lacht. Den ganzen Tag zu stehen, das seien sie bis dato nicht gewohnt gewesen.

Der 28-Jährige ist Mark Faradjews Sohn. Mit Baseballcap und Batman-Pulli sitzt er an diesem frühen Nachmittag auf einer der Bierbänke, die zum Imbiss »Ponchy« gehören, einem kleinen Lokal in der Halle des denkmalgeschützten U-Bahnhofs Hansaplatz.

WAFFEL-FALAFEL Vater und Sohn servieren Burger mit Kichererbsen-Patty, Avocado, Käse, Tomaten, Hummus, Tahini, Salat und karamellisierten Zwiebeln.

Außerdem kredenzen die beiden Imbissbesitzer »Ponchy«, eine Art süßes Fladenbrot aus Kichererbsenmehl, das in Öl frittiert wird »und dadurch weniger fettig ist als zum Beispiel der ungarische Lángos, der in Öl gebraten wird«, erklärt Mark Faradjew. Der Ponchy wird mit Honig und Puderzucker serviert. »Ich habe das schon als Kind unheimlich gern gegessen«, erinnert sich der 52-Jährige. »Es ist ein altes Familienrezept meiner Urgroßmutter.«

Neben dem Burger steht noch ein weiteres herzhaftes Gericht auf dem Tisch. »Das ist unsere Neuheit«, sagt Sharon Faradjew, »die Waffel-Falafel«: Dabei handelt es sich um eine Waffel aus Kichererbsenteig, belegt mit wahlweise Spinat oder gemischtem Gemüse. Die Herausforderung bei diesem Gericht sei die Konsistenz des Teiges, sagt der 28-Jährige. »Wie wir den machen, bleibt aber unser Geheimnis.«

Alles schmeckt sehr gut, frisch und ist ausgewogen gewürzt. Der süße Ponchy kommt tatsächlich ohne triefendes Fett aus – wie es der Chefkoch beschrieben hat. Wer alle drei Speisen essen wollte, müsste allerdings sehr, sehr viel Hunger mitbringen, denn der Burger allein kann einen bereits satt und zufrieden machen.

HAUSGEMACHT In dem nur 26 Quadratmeter großen Imbiss ist ständig Betrieb. Eine Rentnerin bestellt Falafel-Rollen und Pommes zum Mitnehmen, »so etwas mache ich mir zu Hause nicht«, sagt sie. Sie sei zum zweiten Mal da, »es schmeckt mir hier sehr gut«. Ein Mann bestellt einen Burger »zum Hier-Essen«; eine junge Frau lässt sich auf ein Gericht mit hausgemachter Zwiebelsauce ein. Jedem Kunden geben die Faradjews einen herzlichen »Lassen Sie es sich schmecken«-Gruß mit auf den Weg. Kein Wunder, dass die Gäste sich hier sofort willkommen fühlen.

Der Teig ist ein altes Familienrezept der Großmutter aus Baku.

Den Mietvertrag für das kleine Lokal im Tiergarten haben die Faradjews im Dezember vergangenen Jahres unterschrieben. »Mein Vater rief mich eines Tages an und meinte: ›Sharon, wir machen einen Imbiss auf, ich habe den perfekten Ort für uns gefunden‹«, erzählt Faradjew junior.

Bereits im Vorfeld hätten sie hin und wieder darüber nachgedacht, denn erste positive Erfahrungen im Gastrobereich haben sie auf Berliner Wochenmärkten gesammelt. »Das lief manchmal so gut, dass wir innerhalb von zwei Stunden keinen Teig mehr hatten«, erinnert sich Sharon, der Einzelhandels- und Veranstaltungskaufmann gelernt hat.

»Dass ich mit meinem Vater einmal ein gemeinsames Projekt starte, hätte ich nie gedacht«, sagt der 28-Jährige, der in Berlin die Heinz-Galinski-Schule besucht und am Jüdischen Gymnasium Moses Mendelssohn sein Abitur gemacht hat.

»Ich wusste, der Tag wird kommen«, meint hingegen sein Vater. »Aber ich wollte nie Druck ausüben. Dann hätte es womöglich nicht geklappt.«

KOLLEGIAL Die Aufgaben im Imbiss sind klar verteilt: Mark ist der Chefkoch, der die Gerichte entwickelt, wobei die Ideen seines Sohnes mit einfließen. Sharon kümmert sich um den Großeinkauf und übernimmt nachmittags die Küchenschicht.

Der »Chickpea Bifnim Cheeseburger« ist der absolute Renner.

Unterstützt werden die beiden Männer von Mark Faradjews Freundin Julia und Aushilfskraft Ronny. Beide – die eine vormittags, der andere nachmittags – packen in der Küche mit an, schneiden den Salat, putzen das Gemüse oder waschen ab.

Die Stimmung ist locker, kollegial. »Na, Ronny, hast du ausgeschlafen?«, begrüßt ihn der Chefkoch schelmisch, als er zu seiner Schicht erscheint. Julia wird gefragt, wo sie denn die Mülltüten versteckt habe. »Immer versteckst du die Sachen«, sagt Mark Faradjew und lacht. Mal wird auf Russisch, mal auf Deutsch oder Hebräisch miteinander geflachst, so wie es eben passt.

HEIMAT Faradjew senior stammt ursprünglich aus der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku, er wurde dort 1967 geboren. 1971 wanderte die Familie nach Israel aus. »Wir haben erst in Dimona, dann in Haifa gelebt«, erzählt der 52-Jährige. In den 80er-Jahren entschieden sich seine Eltern, nach Deutschland zu gehen – »über Wien, wo wir ein Jahr lebten«.

Die neue Wahlheimat hieß von da an Berlin-Charlottenburg. Dort machte Mark Faradjew seinen Schulabschluss und eine Zahntechniker-Ausbildung – »das war der Wunsch meiner Mutter«. Sein Geld verdiente er allerdings als Film- und Musikproduzent. »Ich bin eigentlich ein Künstler«, sagt der 52-Jährige. Nun hat er mit seinem Sohn noch einmal einen beruflichen Neuanfang gewagt.

»Viele Kunden fragen, woher wir kommen, und wir sagen dann direkt, dass wir Juden sind.« Sharon Faradjew

Berlin ist die Familie seitdem treu geblieben. Ob das für ewig so bleibt, da sei er sich nicht sicher, meint Sharon Faradjew nachdenklich. Angst haben die Faradjews auch nach den jüngsten antisemitischen Übergriffen in Berlin zwar »absolut nicht«, sagen Vater und Sohn einstimmig. Dennoch macht ihnen der wachsende Antisemitismus zu schaffen.

»Ich habe Positives und Negatives erlebt«, sagt Sharon. Doch für ihn sei klar, dass Juden zu Deutschland gehören. Bleiben wolle er aber nicht um jeden Preis. Auswandern sei eine Möglichkeit, die er in Betracht ziehe – auch seinen Vater habe er davon schon überzeugt.

BIFNIM-BURGER Doch vorerst sieht der 28-Jährige sein Leben hier: Er möchte den Imbiss weiter ausbauen – eine Heißluftfritteuse sei schon bestellt, meint er. »Dann werden unsere Gerichte noch gesünder.« Dafür werde der Pizzaofen verschwinden, »der nimmt zu viel Platz ein und stört«. Sein großes Ziel ist es, aus dem Imbiss-Laden eine Kette zu entwickeln. »Aber alles Schritt für Schritt.«

Und die Kunden? »Viele fragen, woher wir kommen, und wir sagen dann direkt, dass wir Juden und Israelis sind und unsere Speisen israelisch-kaukasischen Hintergrund haben.« Sharon Faradjew verweist in diesem Zusammenhang zum Beispiel auf die Schakschuka-Gerichte im Menü und den »Chickpea Bifnim Cheeseburger«, der nicht nur Mozzarella, sondern auch ein hebräisches Wort enthält – »bifnim«: dazwischen. Sowohl im Laden als auch beim Lieferservice Lieferando sei gerade dieser der »absolute Renner«.

Bis jetzt habe es rundweg sehr positive Reaktionen der Kunden gegeben – auch von denen mit Wurzeln in arabischen Ländern. »Wir unterhalten uns gerne mit ihnen – und sie sich auch mit uns. Kunden, die nie in Israel waren, fragen mitunter, wie es sei, dort Urlaub zu machen, und fragen uns nach Insider-Tipps.«

An jüdischen Feiertagen bleibt das kleine Lokal meist offen. »Außer an Rosch Haschana – da kommt die Familie zusammen, das ist Tradition«, sagt Sharon Faradjew. Sukkot habe er zuletzt als Kind in Israel gefeiert, überlegt sein Vater, und dabei auch in einer Laubhütte übernachtet. »Was? Das hast du mir noch nie erzählt!«, ruft sein Sohn überrascht. »Doch, doch!«, erwidert Mark – und wirft das nächste Fladenbrot ins Öl.

www.ponchy.de

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