Ich arbeite fast immer im Frühdienst. Um fünf Uhr klingelt mein Wecker, und um sechs fahre ich mit dem Rad los. Ich bin Stationsleiter im Nelly-Sachs-Haus, dem Elternheim der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Dort bin ich für einen Bereich mit 26 Bewohnern und elf Mitarbeitern verantwortlich. Der Frühdienst bietet sich für mich als Leitung an, weil am Vormittag der Pflegeaufwand am größten ist, Arztvisiten stattfinden und die meisten Termine zu koordinieren sind.
Ich habe 1998 als Zivi im Nelly-Sachs-Haus angefangen. Nach der Schule war ich noch unschlüssig, welche Ausbildung ich beginnen sollte. Bundeswehr kam nicht infrage, aber Zivildienst in einer jüdischen Einrichtung – das gefiel mir gut. Ich kannte das Nelly-Sachs-Haus schon als Kind: Mein Opa war hier jahrelang in der Synagoge Minjan-Mann. Das schafft bis heute eine große Verbundenheit mit dem Haus.
qualifikation Nach meiner Ausbildung zum Altenpfleger habe ich hier als Fachkraft angefangen. Dann kam eine Qualifikation hinzu, um Schüler auszubilden, und eine zum Stationsleiter. Inzwischen bin ich seit acht Jahren in der Leitungsfunktion.
Meine Hauptaufgabe ist es, den Alltag zu managen, sodass alle Bewohner, Mitarbeiter, die Leitung und die Kontrollbehörden zufrieden sind. Meine Arbeit macht mir viel Freude, ich bin gern mit Menschen zusammen, und das frühe Aufstehen vertrage ich gut. Mir gefällt auch die Verbundenheit mit der Religion. Das kann ich hier ein bisschen ausleben. Denn ich muss zugeben: Zu Hause bin ich nicht religiös.
Es war für mich eine bewusste Entscheidung, nach der Ausbildung im Nelly-Sachs-Haus zu bleiben. Neben der Verbindung zum Judentum gibt es noch weitere Unterschiede zu anderen Einrichtungen, von denen ich ja einige im Rahmen meiner Ausbildung kennengelernt habe. Die Wohnbereiche sind bei uns mit 26 Bewohnern kleiner als in etlichen anderen Häusern. Man kann sehr deutlich spüren, dass es bei uns familiär ist, sehr offen und freundschaftlich.
Krankenkassen Leider merken aber auch wir den Pflegenotstand. Es ist mitunter schwierig, an richtige Hilfsmittel zu kommen – nicht immer werden sie von den Krankenkassen genehmigt und bezahlt. Leider ist auch die gesellschaftliche Anerkennung meines Berufs nicht so, wie sie sein sollte. Für die enorme Verantwortung, die wir jeden Tag tragen, fehlt eine gewisse Wertschätzung.
Auch in der Altenpflege hat die Bürokratisierung leider stark zugenommen. Vor zehn Jahren hatten wir weitaus weniger Papier auszufüllen als heute. Es dient dem Nachweis, dass wir bestimmte Dinge getan haben, es soll Sicherheit und Transparenz vermitteln. Aber es ist ein Problem, wenn die Fachkräfte heute im Durchschnitt 40 Prozent ihrer Arbeitszeit mit der Dokumentation verbringen. Dadurch hat die Zeit für die Bewohner leider stark abgenommen. Deshalb sind wir sehr froh, dass wir im Nelly-Sachs-Haus viele ehrenamtliche Helfer haben, die das auffangen.
Allgemein arbeiten immer noch vor allem Frauen in der Pflege. Auf meiner Etage sind wir fünf Frauen und vier Männer – das ist ein guter Schnitt. Männer sind gern gesehen in diesem Beruf – aufgrund der Körperkraft sind wir physisch einfach stärker belastbar.
sport Düsseldorf ist meine Heimatstadt, hier bin ich geboren, aufgewachsen, und hier fühle ich mich wohl. Es ist eine schöne, lebendige Stadt. Mir gefällt das etwas anspruchsvollere, schnellere Leben hier. Im Sommer spiele ich gelegentlich am Rhein Volleyball oder Federball – das macht Spaß, aber es ist nicht wirklich Sport. Ich bin eher ein Sportmuffel, der nur das tut, was notwendig ist: In meinem Fall heißt das, ich gehe dreimal die Woche ins Fitnessstudio, um meine Muskelkraft zu stärken und Arme, Knie und Rücken aufrecht zu halten – diese Körperteile werden bei meiner Arbeit stark beansprucht. Außerdem fahre ich mit dem Rad zur Arbeit – das war es schon an Sport.
Ich habe eher andere Hobbys: Ich lese sehr gern und versuche, mir jeden Tag eine Stunde Zeit dafür zu nehmen. Ich komme durch das Lesen immer gut runter nach der Arbeit, danach habe ich den Kopf wieder frei. Meine Lieblingsorte zum Lesen sind im Sommer meine Dachterrasse, sonst die Küche, dort sitze ich bequem, und es ist sehr hell. Ich lese vor allem Science-Fiction- und Fantasy-Romane.
Fantasy Im Sommer bin ich sehr aktiv am Rhein. Ich grille gern, treffe mich mit Freunden. Zum Abend hin bin ich leidenschaftlicher Computerspieler. Bei World of Warcraft gehöre ich zu einer Stammgruppe. Damit bin ich viermal die Woche jeweils drei Stunden beschäftigt. Es ist ein Onlinespiel – übrigens das erfolgreichste Spiel aller Zeiten: täglich acht bis neun Millionen zahlende Kunden weltweit!
Wir sind in unserer Gilde im Durchschnitt acht bis zwölf Leute, die immer zusammen spielen. Wir kommen aus ganz Deutschland und sind vom Alter her gemischt: Es gibt Studenten, und manche Leute sind Ende 50 – es ist alles dabei.
World of Warcraft ist ein Fantasy-Rollenspiel, bei dem sich jeder einen Charakter erstellt. Ich bin ein Jäger von der Rasse Worgen und kämpfe als Wolfsmensch gegen übermächtige Gegner wie Drachen, Dämonen und Hexenmagier. Es gibt spezielle Schlachtzüge, die für zehn Spieler ausgelegt sind. Wenn wir nicht zusammenspielen als Team und uns absprechen, wie wir die Gegner besiegen können, funktioniert es nicht. Man kann es nicht alleine machen. Dieses strategische Zusammenspiel ist für mich die Königsklasse. Es macht mir Spaß und fordert mich heraus.
Mich fasziniert diese Gruppendynamik. Jeder sitzt zu Hause vor seinem Computer mit Headset. Wir kommunizieren über Teamspeak, aber in der Realität kennen wir einander nicht. Wir haben schon überlegt, mal ein Gildetreffen zu machen, weil wir jetzt schon zwei Jahre zusammenspielen. Aber das ist schwierig zu koordinieren.
Familie Ich war elf Jahre lang verheiratet, habe mich dieses Jahr scheiden lassen. Weil es zweckmäßig ist, habe ich aktuell eine WG mit meinem jüngeren Bruder, der hier studiert. Dann habe ich noch eine Schwester, sie wohnt in einem kleinen Ort rund 30 Kilometer nördlich von Düsseldorf.
Ich koche sehr gern und auch vielfältig, vor allem, wenn Besuch kommt. Für mich allein koche ich eher einfach – aber oft etwas mit Kartoffeln. Ich liebe Kartoffeln! Und ich esse natürlich alles gerne, was meine Oma kocht.
Vor Kurzem hatte ich Urlaub. Die erste Woche war ich bei meiner Schwester, um auch meinen Neffen und meine Nichte zu sehen. Da kann ich mich gut erholen. Es ist für mich eine sehr große Freude, auf die Kinder aufzupassen, mit ihnen zu spielen. Das gibt mir Kraft.
In der zweiten Woche wäre ich gern ein paar Tage in die Gegend um Leipzig und Dresden gefahren, dort war ich noch nie. Aber der Plan hat sich zerschlagen. Und die letzte Woche habe ich zu Hause verbracht: Das Wetter war gut, ich war viel draußen, habe mit Kollegen und Freunden gegrillt und mich abends mit ihnen auf ein Bier getroffen.
In Israel bin ich bisher erst einmal gewesen, und das ist viele Jahre her: Es war ein Barmizwa-Machane. Wir sind damals quer durchs Land gefahren, haben viele Sehenswürdigkeiten besucht. Ich habe keine Verwandten in Israel, aber irgendwann fahre ich bestimmt mal wieder hin.
Aufgezeichnet von Annette Kanis