Der kleine Laden mit der weißen Schrift auf fliederfarbenem Design, den frischen Blumen und prall gefüllten Bonbonnieren voller Eclairs, Cookies und Torteletts könnte auch in Tel Aviv, Paris oder New York stehen. Doch dass die israelischen Inhaber, Joseph und Iris Martin, ihren Laden in Berlin eröffnet haben, ist ein Glücksfall für hiesige Kaffee-und-Kuchen-Enthusiasten. »Berlin ist so weltoffen und international, ein Schmelztiegel der Kulturen – wie Tel Aviv. Die Stadt heißt jeden willkommen.
Hier haben wir uns von Anfang an wohlgefühlt«, erzählt Iris Martin. Dabei war der Umzug nach Berlin im Jahr 2006 für Iris Martin auch eine Entdeckung ihrer eigenen Wurzeln. »Ich komme aus einer klassischen Jecke-Familie«, erzählt sie mit einem Augenzwinkern. »Alles sehr höflich, ruhig und geordnet. Deutsch redeten unsere Eltern daheim in Haifa nur dann, wenn wir Kinder sie nicht verstehen sollten«, fügt die 55-jährige dunkelhaarige Frau lächelnd hinzu.
Kultur Die Höflichkeit, Freundlichkeit und Ruhe wissen die Martins an der deutschen Kultur noch immer sehr zu schätzen. Dass das Konditorpaar mittlerweile auch die Sprache perfekt beherrscht, hätten sich Iris’ Eltern nicht träumen lassen.
Die Martins wollen sich von der Last der Geschichte das Leben nicht beschweren lassen, sondern leben im Jetzt – und das passt irgendwie zu Berlin. Deswegen ist es für sie auch selbstverständlich, dass ihre Kinder Natalie und Edi hier aufwuchsen. Die beiden sind mittlerweile Anfang 20, arbeiten im Familienunternehmen mit und führen ihr eigenes Leben in Berlin.
Während Iris mit ihrem warmen hebräischen Akzent einladend neue Kunden hereinbittet, wirbelt ihr Mann Joseph zwischen der hell gekachelten Backstube und dem freundlichen Café hin und her, mit Leichtigkeit zwei frische, nach Orangen und Vanille duftende Torten vor sich her balancierend, die er gekonnt in der Vitrine platziert. Dass Joseph Martin bis zum frühen Morgengrauen in seiner Backstube gestanden und unermüdlich gerührt, karamellisiert und verziert hat, sieht man dem Meisterkonditor kein bisschen an. Hellwach und mit strahlendem Lächeln begrüßt er an diesem Freitagmittag seine Kunden.
Für jeden hat er ein freundliches Wort. Während der 58-Jährige flink Mohn-Marzipan-Torte, Orientalische Orange und Sesamkuchen in hübsche Kartons verpackt und über die Theke reicht – samt Kostproben seiner neuesten nächtlichen Kreation aus Sahne und Toffee –, plaudert er charmant mit seinen Kunden. Dabei jongliert der israelische Patissier mühelos zwischen Deutsch, Französisch, Hebräisch und Arabisch. Der quirlige Mittfünfziger mit der Brille und den graumelierten Haaren wirkt eher wie ein Intellektueller oder Künstler.
Die Leidenschaft fürs Kuchenbacken entdeckte der Sohn einer Ägypterin und eines Italieners in seiner Heimatstadt Tel Aviv. Gelernt hat er bei Israels Kuchen-Koryphäe Hans Bertele und im Hilton Hotel Tel Aviv. Sieben Jahre lang servierte Joseph Martin anschließend feines Backwerk in seiner eigenen Patisserie in Kfar HaMaccabi nahe Haifa.
Blumenkohl »Gott hat mir meine Hände geschenkt. Und berühmte Konditoren wie Hans Bertele und Avraham Gilad waren meine Lehrmeister. Sie haben mir solides Handwerk und die Kunst der feinen Raffinessen beigebracht.«
Doch Joseph Martin hatte immer schon auch eigene Ideen. »Als Hans Bertele sah, wie ich Rosetten für eine Hochzeitstorte forme, sagte er zu mir: ›Andere modellieren Blumenkohl. Du kreierst Blumen‹«, erinnert er sich lachend. Zur Vollendung geführt hat der verspielte Patissier seinen individuellen Stil in Europa. »Wir sind immer viel gereist. Weiterbildungen und Kurse haben uns schließlich nach Deutschland geführt«, sagt Martin. Die Experimentierfreude, Leidenschaft und Kreativität des weltgewandten Patissiers wissen seine Kunden zu schätzen. Immer wieder lässt sich der israelische Zuckerbäcker etwas Neues einfallen.
Das Geheimnis seiner Beliebtheit? Joseph Martin lächelt versonnen. »Ich liebe meine Arbeit. Die Feinheiten der Backkunst inspirieren mich jeden Tag aufs Neue. Und das Feedback der Kunden zeigt mir, dass sie gut ankommt. Was gibt es Schöneres?« Der enorme Andrang scheint ihm recht zu geben. Denn zwischen Sonnenallee und Maybachufer ist »Martins Place« mittlerweile so etwas wie eine Institution. Und das nur knapp ein Jahr nach Eröffnung. »Am Wochenende kommen Leute aus der ganzen Stadt hierher, Charlottenburg, Mitte, sogar aus Zehlendorf. Und natürlich die Nachbarn aus dem Viertel.«
Naschmarkt Viermal im Jahr sind die Martins zudem mit ihrer Kuchenmanufaktur mit einem Stand auf dem Kreuzberger Naschmarkt vertreten. Gute Nachbarschaft liegt den Martins besonders am Herzen. Das sind sie so aus Tel Aviv gewohnt. »Man kennt und hilft einander. Das ist ganz klar«, beschreibt Joseph das Verhältnis zu den Nachbarn, viele von ihnen Muslime. »Die beste Tahina bringt mir immer mein arabischer Nachbar.
Und hier bekommt er natürlich auch seinen Lieblingskuchen. Garantiert halal.« Denn auf Wunsch seiner muslimischen Kunden verarbeitet der Israeli in seinen Kuchen ausschließlich Gelatine aus Fisch. »Qualität steht bei uns an erster Stelle. Wir verwenden nur ganz frische, regionale und saisonale Produkte. Erdbeeren aus Brandenburg, Äpfel aus Werder, frische Sahne und Eier. Und das schmeckt man auch«, sagt Martin.
Apfeltarte Jede der rund 40 Tartes und Torten sind »Lieblingskuchen«. Sonntagnachmittags stehen draußen die Menschen geduldig Schlange nach Apfeltarte, Tour de Miel und Ludwig, einem sacherähnlichen Bestseller, dessen sahniger Schokoladengeschmack noch lange nach dem eigentlichen Genuss wohlig an den Geschmacksknospen nachwirkt.
Ab diesem Frühjahr soll täglich ein leichtes Frühstücksangebot hinzukommen – frische selbst gemachte Croissants, Brioches und Piroggen. »Martins Place ist das Herzstück der Pannierstraße«, schwärmt Colette, eine französische Studentin aus der Nachbarschaft, die sich fürs Wochenende mit Dattelmarzipantorte und Käsesoufflé eindeckt. Und eine ältere Dame ergänzt verträumt: »Der Kuchen macht warm ums Herz. Er schmeckt nach Liebe, Familie und Zuhause.«
Martins Place finden Sie in der Pannierstraße 29 www.martinsplace.de