»Wir haben einen Platz an der Sonne erobert und diesen wollen wir behaupten«, sagte Rabbiner Max Goldschmidt stolz, als er 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, mit seiner Gemeinde feierlich die neue Synagoge in Offenbach eröffnen konnte.
Das prächtige Gebäude sollte den jüdischen Offenbachern jedoch nicht lange zur Verfügung stehen. In der Pogromnacht wurde die Inneneinrichtung zerstört und der Synagogenraum entweiht. Für einen Spottpreis musste die Gemeinde das Haus an einen Kinobetreiber verkaufen, der dort widerliche NS-Propagandafilme vorführen ließ.
1950 ging die inzwischen als Städtisches Theater genutzte alte Synagoge auf Betreiben der Jewish Restitution Successor Organization (JRSO) mit Sitz in New York in den Besitz der Stadt über: Niemand sprach damals mehr über den vermeintlichen »Platz an der Sonne«. Auch die 80 Mitglieder in Offenbach glaubten damals nicht an eine jüdische Zukunft.
Das Angebot der Stadt, ein neues Gotteshaus zu bauen, lehnten sie deshalb zunächst einmal ab.
Erst mit dem Modell für einen Neubau begann ein Umdenken. Die neue Synagoge des Architekten Zvi Hermann Guttmann spiegelte das neue Gemeindeleben aber als sehr viel bescheidener als der Prachtbau aus der Kaiserzeit.
Am 2. September 1956 wurde sie als erste neue Synagoge in Hessen nach dem Krieg eröffnet. Zvi Hermann Guttmann konnte danach noch etliche weitere Synagogen in Deutschland bauen. Die meisten von ihnen stehen heute als wertvolle Zeichen neuer jüdischer Baukultur unter Denkmalschutz.
Die Offenbacher Juden konnten damals nicht ahnen, dass über die folgenden Jahrzehnte ihre Gemeinde wieder fast so groß sein würde wie vor der Schoa. »An den Feiertagen singt der Kantor in der Synagoge, und die Betenden bilden eine lange Schlange über die Eingangstüre hinaus.« So beschrieb der langjährige Gemeindevorsitzende und Ehrenbürger der Stadt, Max Willner, die Situation Anfang der 90er-Jahre. Er legte damit den Grundstein dafür, dass die inzwischen ebenfalls denkmalgeschützte Synagoge zu einem großen Gemeindezentrum erweitert werden konnte.
Seit dessen Einweihung im Jahre 1998 hat dies das Gemeindeleben sehr befördert: Neben dem Religionsunterricht für Kinder und Jugendliche finden die rund 1000 Mitglieder einen Kindergarten, ein Jugendzentrum, Deutschkurse, einen aktiven Gemeindechor sowie ein breites Kulturprogramm vor. Wöchentliche Kurse in Judaistik für Erwachsene und Senioren sind besonders für Zuwanderer interessant. Regelmäßig trifft man sich im Schach- und Tanzklub. Außerdem ist eine eigene WIZO-Gruppe in Offenbach aktiv.