Es ist hohe handwerkliche Kunst, ganz in Silber: wunderschöne Gefäße, feines Tafelbesteck, filigrane Figuren. Im Stadtmuseum am Jakobsplatz glänzen die Produkte der »Silberschmiede M.T. Wetzlar« im Licht der Deckenfluter besonders hell. Trotzdem liegt ein unsichtbarer, dunkler Schatten über den Ausstellungsstücken des früheren Geschäfts, die noch bis zum 17. August gezeigt werden. Das Schicksal der jüdischen Besitzerfamilie ist es, das den Schatten wirft.
Der stellvertretende Direktor des Museums und Kurator der Ausstellung, Florian Dering, nahm jüngst eine Gruppe von Mitgliedern und Freunden der jüdischen Gemeinde mit auf die museale Zeitreise. Das Schlüsselwort, das die Tür zum Verständnis für die Ausstellung aufstößt, ist ein böses Wort: Arisierung. »Dieser Begriff«, erklärte Dering, »ist kein Synonym für abstrakte Berechnungen von Vermögenswerten. Die Arisierung, wie man am Beispiel der Familie Wetzlar mitverfolgen kann, war der Anfang der systematischen Judenvernichtung.«
Prominente Die Brüder Heinrich und Alexander Wetzlar, die die Firma von ihrem Vater übernommen und zu einem renommierten Kunsthandwerksbetrieb in der Maximilianstraße gemacht hatten, konnten nicht klagen. Zu Beginn der 30er-Jahre, als die NSDAP immer mehr Zulauf erhielt, gehörten noch Adelshäuser und viele Prominente zur Kundschaft des Hauses. Aus der Wetzlarschen Schmiede stammen zum Beispiel auch wesentliche Teile des Tafelsilbers, das der Rat der Stadt München 1930 in Auftrag gab. Auch das gehört zur Ausstellung im Stadtmuseum.
Wer vom Eingang des Stadtmuseums auf den Jakobsplatz tritt, hat sofort das jüdische Zentrum im Blick. Die nachbarschaftliche Nähe der jüdischen Einrichtung zum finsteren Kapitel der Arisierung, das in der Ausstellung gezeigt wird, trägt fast symbolischen Charakter. IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, die die Ausstellung und die Geschichte der Familie Wetzlar kennt, erinnerte an das blühende und vitale Judentum im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts, an die tiefe Verbundenheit speziell der Münchner Juden zu ihrer Heimatstadt. »Nach den Errungenschaften der Weimarer Zeit«, so Knobloch, »folgten Ausgrenzung, Diffamierung, Diskriminierung, Entrechtung und schließlich Vernichtung.«
Ausstellungskurator Dering, der die Geschichte der Familie Wetzlar und den »barbarischen Akt« der Arisierung auch in Buchform dokumentiert hat, rückt bei seiner Führung die Dimension in die richtige Größenordnung: »Die Arisierung war der Beginn der Judenvernichtung.« In einem kleinen Raum werden Fotos der Brüder Wetzlar gezeigt und ein von ihnen verfasster Text. Darin schildern sie, wie beide unmittelbar nach der Pogromnacht im Jahr 1938 ins Konzentrationslager Dachau deportiert wurden.
erpressung »Die Verhaftung diente nur dem einen Zweck, sich den Besitz der Wetzlars unter den Nagel zu reißen«, beschrieb Kurator Dering das Ende der Silberschmiede im jüdischen Besitz. In Dachau unterschrieben die Brüder eine Erklärung, dass sie mit der Abtretung ihres Vermögens an die NSDAP einverstanden seien. »Ihnen blieb auch gar nichts übrig. Was hätten sie denn anderes machen sollen, um Dachau wieder verlassen zu können?«, so Dering.
Eine Vielzahl von Fotos und Dokumenten an den Ausstellungswänden im Stadtmuseum liefern Hinweise auf den politisch erzwungenen Bankrott der Wetzlars. Die Denkweise der Brüder Kleemann, die die Firma für einen Spottpreis erwarben, erschließt sich aus einem einzigen Satz an ihre Angestellten: »Jetzt können wir die Judenluft aus der Firma hinauslassen.«
Die Wetzlar-Brüder, die seit der Machtergreifung der Nazis wie alle anderen Juden immer stärkeren Repressalien ausgesetzt worden waren, hatten schon seit Längerem daran gedacht, Deutschland mit ihren Familien zu verlassen. Sie schafften es noch kurz vor Kriegsbeginn nach England – völlig mittellos. »Arisierung«, erklärte Döring, »war die staatlich organisierte Vernichtung von Existenzen.«
Die Ausstellung im Stadtmuseum endet jedoch nicht mit dem Ende der Firma Wetzlar und auch nicht mit dem Ende des Dritten Reichs. »Die Wetzlars und viele andere Juden, die nach Deutschland zurückkamen, hatten es auch in den ersten Nachkriegsjahren im Umgang mit den Behörden nicht leicht«, sagt Dering und deutet auf Dokumente, die vor ihm in einer Vitrine liegen. »Auch das ein wenig schmeichelhaftes Kapitel Deutschlands.«
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