Mit erheblicher krimineller Energie hat die ehemalige Sekretärin der Jüdischen Gemeinde Hannover, Evgenia M., ihren Arbeitgeber um rund 125.000 Euro betrogen. So jedenfalls sieht es der Gemeindevorsitzende Michael Fürst, und so stellte es das Amtsgericht Hannover in der vergangenen Woche fest.
»Die Frau hätte mindestens für drei Jahre ins Gefängnis gehört«, sagt Fürst, der selbst Rechtsanwalt und Notar ist. Die 34-Jährige habe »systematisch manipuliert, Urkunden gefälscht, betrogen«. Sie hat Fahrtkosten für Ausflüge von Gemeindemitgliedern vorab kassiert, die von den Betreffenden gar nicht angetreten wurden. Vorgeworfen wurden ihr 39 Fälle von gewerbsmäßiger Untreue und 19 Fälle von gewerbsmäßigem Betrug.
Spielschulden Mehr als die Tatsache, dass Evgenia M. mithilfe ihres Arbeitgebers ihre Spielschulden beglich, empört Fürst, dass die ehemalige Sekretärin Holocaust-Überlebende zu Hause aufgesucht und ihre Empathie ausgenutzt hat, indem sie ihnen von ihrer angeblichen Krebserkrankung und ihren drei hungernden Kindern erzählte, »um ihnen auf diese Weise das Geld aus der Tasche zu ziehen. Selbstverständlich hatten unsere Leute Mitgefühl und haben ihr ein paar Euro gegeben«, sagt der Gemeindevorsitzende.
Bei Gericht habe Evgenia M. immer wieder den Kopf geschüttelt, erzählt Fürst. Offenbar war der jungen Frau die Tragweite ihres Handelns gar nicht bewusst. Erst ein sogenanntes Verständigungsgespräch bei Gericht und das Insistieren ihres Anwalts habe sie zu einem Teilgeständnis veranlasst. Dass sie Untreue und Betrug in einigen Fällen zugab und der Umstand, dass sie Mutter von drei minderjährigen Kindern ist, habe sie vor einer längeren Haftstrafe bewahrt.
Das Geld brauchte Evgenia M. offenbar, um ihre Spielschulden zu begleichen, die sie beim Zocken in Online-Kasinos und an Spielhallenautomaten gemacht hatte. Die Geldnot war offenbar so groß, dass sie im Dezember 2017 in zwei Kneipen Spielautomaten knackte und 254 Euro erbeutete, schrieb die »Hannoversche Allgemeine«.
Rechnung Ihrer Zusage, sie wolle sich wegen ihrer Spielsucht therapieren lassen, will Fürst nicht so ganz glauben. Zu raffiniert und geplant sei ihr Vorgehen gewesen. Aufgeflogen sei der Betrug letztlich, als der Hersteller der Leichenhemden für Begräbnisse die Gemeinde mahnte, die Rechnung zu begleichen. Diese sei bezahlt, konnte die zuständige Kollegin nur sagen. Erst der Vergleich der Kontonummern zeigte, dass das Geld nicht auf das in der Rechnung angegebene Konto überwiesen wurde. »Unser eigener Wirtschaftsprüfer ist letztlich dem Umfang der Betrügereien auf die Schliche gekommen«, sagt Fürst.
Das Gericht einigte sich auf eine Bewährungsstrafe. Sollte sich Evgenia M. innerhalb der nächsten drei Jahre irgendetwas zuschulden kommen lassen, muss sie ihre Haftstrafe antreten. Die Spielschulden in Höhe von mehr als 80.000 Euro wird sie zurückzahlen müssen. Als Empfängerin von Sozialhilfe mit drei Kindern fast ein Ding der Unmöglichkeit.