Keinerlei Müdigkeit beim 25. Jubiläum der Tage der Jüdischen Kultur (TdjK) in Chemnitz: 80 Veranstaltungen halten von Ende Februar bis Mitte März das Publikum in Atem, nahezu täglich herrscht die Qual der Wahl. »50 Mitveranstalter sind im Boot, und im Vorstand der Kulturtage haben wir deren Ideen zu einem bunten Strauß zusammengebunden«, schwärmt Ruth Röcher, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Chemnitz. In diesem Jahr gebe es zudem besonders viele gesellschaftspolitische Themen, und das sei höchst notwendig, »gerade jetzt, in dieser problemgeladenen Zeit«, sagt Röcher.
Eine besondere Stärke der Chemnitzer Kulturtage sind von jeher ihre flexiblen Veranstaltungsformate. Zwar bilden auch diesmal Vorträge und Führungen den größten Anteil. Doch daneben gibt es Dutzende Theateraufführungen und Konzerte – mit der Klezmerband »Brave Old World« aus New York und dem holländischen Liedermacher Herman van Veen als die absoluten Highlights sowie Filmvorführungen, Lesungen und jeder Menge spontaner Begegnungen.
Sapir-Colleg Auch für TdjK-Koordinator Egmont Elschner bleibt es ungemein wichtig, dass sich der Blick immer wieder auf Gegenwärtiges fokussiert. So beginnt am 13. März ein Seminar »Demokratie unter Gewaltbedingungen leben« mit Chemnitzer Politikwissenschaftlern, zu dem auch 15 Studenten aus dem Sapir-College in Sderot anreisen – jener Stadt in Israel, die am heftigsten unter fortgesetztem Raketenbeschuss aus Gaza leidet. Zum Abschluss des gemeinsamen Seminars werden dann 15 Chemnitzer Studenten mit nach Israel fliegen. »Dieses Projekt haben wir uns zum Jubiläum selbst zum Geschenk gemacht«, sagt Elschner.
Spürbar angetan von der Chemnitzer Jubiläumsreihe zeigte sich auch Israels Botschafter in Deutschland, Yakov Hadas-Handelsman, der sich am 29. Februar einen ganzen Tag lang Zeit für Veranstaltungen nahm. Am Abend sprach er im Jüdischen Gemeindezentrum vor 200 Besuchern über Besonderheiten in den deutsch-israelischen Beziehungen.
Dass die Balance zwischen Politik, Religion, Geschichte und Kunst auch in diesem Jahr stimmt, ist nicht zuletzt den gastierenden israelischen Musikern zu verdanken. In den Städtischen Kunstsammlungen brillierte zum wiederholten Male das »Galil-Trio« um Nur Ben-Shalom (Klarinette) und Daniel Seroussi (Piano) – verstärkt durch die deutsch-japanische Violoncellistin Anne Yumino Weber – mit Werken von Carl Frühling und Joachim Stutschewsky. Tags darauf begeisterten im einstigen Schocken-Kaufhaus die Tel Aviver »Jewish Monkeys« mit Balkan-Klezmer-Rock und satirischen Einlagen.
Else Lasker-Schüler Freunde der leisen Töne und Verse zog das »Schocken« kurze Zeit später mit einem Else-Lasker-Schüler-Abend an, den die Sängerin und Gitarristin Ursula Kurze unter dem Titel »Mein blaues KIavier« bestritt. Hier schloss sich dann auch der Kreis zur deutsch-jüdischen und Chemnitzer Geschichte. Lasker-Schüler, von den Nazis ausgebürgert, lebte ab 1938 in Jerusalem, fand Anschluss an den Exilantenkreis um Salman Schocken, Erich Mendelsohn, Martin Buber und nicht zuletzt auch Ernst Simon. Sie, die berühmte und meist mittellose Berliner Expressionistin, bot dort Lesungen mit biblischen Gedichten, schrieb den Prosaband Das Hebräerland und verliebte sich in ihren neuen Wohnort. Salman Schocken, der legendäre Kaufhauskönig von Süddeutschland, hatte sie bis zu ihrem Tod im Januar 1945 großzügig materiell unterstützt.
Auch im 25. Jahr der Chemnitzer Kulturtage, das war Organisatoren und Besuchern im Voraus klar, kann das Programm nicht ganz ohne Meschugeles auskommen. Diesem Gebiet widmet sich eine Ausstellung des Maler- und Künstlervereins Beseder, und am Donnerstag legt der Berliner Autor Beni Frenkel mit einer Lesung aus seinem Buch Gar nicht koscher: Vom täglichen Schlamassel, als Jude durchs Leben zu gehen nach.