Jüdische Gräber sind für die Ewigkeit. Weder können die sterblichen Überreste der Gläubigen umgebettet, noch die Grabstätten nach einer gewissen Zeit neu belegt werden, wie es bei anderen Religionsgemeinschaften durchaus üblich ist. Über kurz oder lang stellt diese Unantastbarkeit der Grabstätten alle jüdischen Gemeinden vor dasselbe Problem: Der Platz auf dem Friedhof wird knapp.
Mit genau diesem Problem sieht sich derzeit die Mainzer Gemeinde konfrontiert. Während an der Hindenburgstraße der Bau der neuen Synagoge bereits kurz vor der Vollendung steht, wird es auf dem alten Gräberfeld am Xaveriusweg allmählich eng. Nur noch eine Gräberreihe steht der Mainzer Gemeinde für Bestattungen zur Verfügung. So unterschiedlich die Phänomene sein mögen, haben sie doch einen gemeinsamen Ursprung: das rasante Wachstum der Mainzer Gemeinde in den 90er-Jahren.
Gewachsen »Vor 20 Jahren haben wir uns mit dem Thema Friedhofserweiterung gar nicht beschäftigen müssen. Wir hätten damals auch nie daran gedacht, dass wir es je tun würden«, sagt die Gemeindevorsitzende Stella Schindler-Siegreich. 1989 zählte die Mainzer Gemeinde gerade einmal 140 Mitglieder. 21 Jahre nach dem Fall der Mauer ist deren Zahl auf 1.038 angestiegen. »Durch die Zuwanderung hat sich die Lage vollkommen verändert«, resümiert Schindler-Siegreich. »Nach jahrelangem Ringen können wir am 3. September für diese vielen Mitglieder eine neue Synagoge eröffnen. Umgekehrt bringt dieser Mitgliederanstieg aber auch mit sich, dass wir wesentlich mehr Bestattungen im Jahr haben, so dass das jetzige Friedhofsgelände nicht mehr ausreicht.«
Der Gemeinde bleibt auf lange Sicht nichts anderes übrig, als ihren Friedhof zu erweitern. Ein Ausbau, der direkt an den derzeitigen Bestand anschließen würde, scheidet jedoch aufgrund zu hoher Grundstückspreise aus. Die Prioritäten in Mainz sind klar verteilt – was an finanziellen Reserven zur Verfügung steht, fließt zunächst in den Synagogenneubau.
Plan Bei der Stadt Mainz hingegen hat man für diesen Fall vorgeplant. In einem Rahmenplan für das auf der gegenüberliegenden Straßenseite gelegene Gebiet »an den Römersteinen« ist bereits eine dreieckige Fläche für die Erweiterung des jüdischen Friedhofs vorgesehen, rund 5.000 Quadratmeter. Eine Fläche, die sich nicht nur aufgrund ihrer Lage und Größe, sondern auch wegen des niedrigeren Quadratmeterpreises durchaus eignen würde.
Noch jedoch steht die aktuelle Nutzung des Geländes einer Friedhofserweiterung im Wege, denn seit gut einem Jahrzehnt wird die Fläche an den Römersteinen als Schafsweide genutzt. Bei einem Ausbau würde der ansässige Schäfer rund die Hälfte seines Weidegrunds verlieren. Wirtschaftsdezernent Franz Ringhoffer (FDP) gibt sich entsprechend vorsichtig. »Wir werden in Gespräche mit der Gemeinde und allen Beteiligten treten«, erklärt er auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen. »Ich werde jedoch keine Erklärung abgeben, ehe wir die Sache nicht geklärt haben.«
Die jüdische Gemeinde selbst zeigt sich erfreut, dass die Stadt von sich aus tätig geworden ist. »Die Stadt hat uns ein Angebot gemacht«, sagt Stella Schindler-Siegreich, »das wir aber erst noch prüfen müssen.« Das allerdings werde erst im neuen Jahr des Jüdischen Kalenders geschehen – nach den Hohen Feiertagen und der Synagogeneröffnung.