Berlin

Muscle-Cars und Mesusa

Die meisten Schrauber-Biografien beginnen in jungen Jahren. Bei Daniel Lehmann war es mit 14 so weit. »Da hatte ich mein erstes Auto. Das war ein uralter Willys-Jeep, den ich damals in Israel in mühevoller Kleinarbeit selbst zu restaurieren begann«, berichtet der Berliner nicht ohne Stolz. »Meine Großmutter griff mir finanziell dabei unter die Arme, und als ich 17 wurde, war der Wagen schließlich komplett fertig.«

Heute, rund 30 Jahre später, ist er Inhaber und Betreiber einer Kfz-Werkstatt in Charlottenburg, die anders ist als die meisten. Geschraubt, gespachtelt und repariert wird natürlich auch bei Car Berlin, aber die Spezialität des Hauses sind Young- und Oldtimer aller Marken. Vom PS-strotzenden amerikanischen Muscle-Car mit viel Chrom und Bling-Bling aus den 7oer-Jahren bis hin zum guten alten Volkswagen T1-Samba-Bus, mit dem einst die Hippies über die Straßen Kaliforniens fuhren, steht bei ihm allerhand auf dem Werkshof, was Autogeschichte geschrieben hat.

Schätzchen Lehmann selbst nennt einige automobile Raritäten aus dieser Zeit wie einen knallgelben VW K70 sein Eigen. »Aber wir führen nicht nur Restaurierungen durch oder möbeln alte Schätzchen wieder auf«, erklärt Lehmann und lotst vorsichtig eine alte Stammkundin mit ihrer Mercedes-C-Klasse in die Werkstatträume. »Ganz normale Reparaturen an gängigen und modernen Serienfahrzeugen gehören für uns ebenfalls zum Alltagsgeschäft.«

Benzin scheint der Familie Lehmann quasi im Blut zu liegen. Die Großeltern sowohl mütterlicher- als auch väterlicherseits stammten aus Berlin, konnten aber rechtzeitig vor den Nazis in das damalige britische Mandatsgebiet Palästina fliehen.

Dort begann alles. »Bereits mein Großvater arbeitete in Israel für die Zulassungsstelle, die Fahrzeuge auf ihre Straßentauglichkeit überprüfte.« Und auch der Vater, der in Haifa am Technion studiert hatte und Ingenieur wurde, bastelte immer gerne an Autos herum. Daraus entstand irgendwann eine Geschäftsidee, und in Berlin eröffnete Lehmann senior in den 80er-Jahren seinen Käfer-Shop – eine Werkstatt, die sich auf Restaurationen, Reparaturen und Umbauten des Klassikers aus Wolfsburg spezialisiert hatte. »Dort habe ich einige Jahre gearbeitet und viele Erfahrungen gesammelt, bevor ich mich dann vor über 15 Jahren mit meinem eigenen Laden selbstständig machte.«

»SUV-Gott« Doch der Käfer-Shop seines Vaters war nicht die erste Station des gebürtigen Israelis. Nach dem Militärdienst lernte er bei Ido Cohen, einem Spezialisten für Fahrzeuge, die alles andere als von der Stange sind. »Das ist nicht irgendjemand gewesen«, schwärmt Lehmann noch heute. »Das ist so etwas wie der Gott der Geländewagen in Israel.« Das von Cohen entwickelte Modell Zibar gilt als das Nonplusultra der SUVs und ist für den Einsatz in schwerem Gelände gedacht; es gibt zivile und militärische Modelle dieses Autos, das Kunden in aller Welt zu schätzen wissen. »Auch die israelische Armee gehört zu den Abnehmern dieser Fahrzeuge, die wohl zum Besten gehören, was einen Vierradantrieb hat.«

In all den Jahren hat sich Daniel Lehmann auch über die Grenzen Berlins hinaus den Ruf erarbeitet, Spezialist für ganz besondere automobile Probleme zu sein. An einen heiklen Fall erinnert er sich noch heute gerne. »Ein Kunde von mir wollte seinen alten Mercedes ›Strich-Achter‹ mit der Technik eines SLK ein wenig flotter machen.« Das klingt erst einmal recht harmlos, doch die meisten Fachleute hätten einen solchen Auftrag dankend abgelehnt – zu kompliziert und verrückt, eine klassische Limousine aus den frühen 70er-Jahren mit der Technik eines modernen Roadsters zu kreuzen.

Selbst Exemplare des berühmten Mercedes-Flügeltürers aus den 50er-Jahren hatte Lehmann bereits in den Händen. Auch hier ist viel Expertenwissen gefragt. »Aufgrund der einzigartigen Konstruktion dieses Fahrzeugs kann man den nicht einfach auf eine Hebebühne setzen wie andere Autos«, erklärt er. »Der verbiegt sich dann sofort.« Und ein Klassiker im Wert von einer halben Million Euro wäre Schrott.

Elektroherz Selbst renommierte Vertragswerkstätten der großen Hersteller wenden sich an Lehmann, wenn sie einmal nicht mehr weiter wissen. »Geht nicht, gibt’s nicht bei uns.« In einen Lotus-Sportwagen verpflanzte er sogar schon einmal ein Elektroherz.

»Die meisten Mitarbeiter in Kfz-Betrieben sind heute Mechatroniker und haben das Feeling für die eigentliche Technik ein wenig verloren«, glaubt Lehmann. »Sie kennen nur noch die Elektronik.« Zudem ist er sich sicher, dass seine spezifisch deutsch-israelische Herangehensweise viel zum Erfolg von Car Berlin beigetragen hat. »Der typisch deutsche Hang zur technischen Perfektion und die informelle israelische Art kommen bei der Kundschaft gut an.«

Seine Herkunft versteckt Lehmann nicht – im Gegenteil. Er zeigt auf die Mesusa am Eingang seines Betriebs. »Das dürfte in Deutschland wohl einzigartig sein.« Er selbst geht mindestens einmal die Woche in die Synagoge. »Meine Kunden kommen nicht nur aus Berlin, sondern aus allen möglichen Ländern«, erzählt er. »Und mein Abschlepper ist Araber. Probleme gab es noch nie.« Lehmann stammt schließlich aus Haifa, einer Stadt mit einem hohen arabischen Bevölkerungsanteil. »Ich hatte täglich mit Arabern zu tun und spreche selbst Arabisch. Das hilft gewiss.«

In seinem Betrieb herrscht generell eine geradezu familiäre Atmosphäre. »Auch deshalb, weil meine Frau Claudia mitarbeitet und eine wichtige Stütze im Geschäft ist.« Mindestens dreimal die Woche wird gemeinsam mit den sechs Mitarbeitern gegessen. Ob eines seiner beiden Kinder die Auto-Gene in sich trägt und die Tradition der Lehmanns eines Tages fortführt, kann er noch nicht mit Gewissheit sagen. »Überraschen würde es mich nicht.«

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