Kabarettisten von Format waren bei der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern schon wiederholt zu Gast. Prominente Namen wie Dieter Hildebrandt, Luise Kinseher, Gerhard Polt oder Ex-Oberbürgermeister Christian Ude standen bereits auf der Bühne. Sie alle traten in der vom IKG-Kulturzentrum organisierten Veranstaltungsreihe »Humor verbindet« auf.
Jetzt stand Christian Springer auf dem Programm. Ellen Presser, die Leiterin der Kulturabteilung, hatte ihn auf einer Kundgebung im vergangenen Jahr angesprochen und sofort eine Zusage für einen Auftritt im Gemeindezentrum bekommen. Daran änderte schließlich auch eine Erkältung nichts. Hühnerbrühe und heißer Tee in Griffweite machten einen witzig-nachdenklichen Abend möglich.
antisemitismus Im Gemeindezentrum stand der Kabarettist zum ersten Mal auf der Bühne. Die jüdische Gemeinde kennt ihn nicht nur als feste Größe im kulturell-politischen Leben Münchens und weit darüber hinaus, sondern besonders auch als jemanden, der gegen Antisemitismus und Rassismus eintritt und sich regelmäßig in diesem Zusammenhang zu Wort meldet.
Erst im Sommer letzten Jahres, als Oberbürgermeister Dieter Reiter angesichts wachsenden Judenhasses zu einer Kundgebung (»Zusammen gegen Antisemitismus«) aufrief, machte Christian Springer am Rednerpult aus seiner Überzeugung kein Geheimnis.
»Frustlos einmischen« ist für Springer mehr als der Titel eines Programms.
Für ihn ganz persönlich wichtige Werte wie demokratische Spielregeln, Toleranz und Freiheit, die seinem Verständnis nach zwangsläufig eine Kampfansage an Rassismus und Antisemitismus darstellen, spiegelten sich auch bei seinem Auftritt im Gemeindezentrum wider, oft über kleine Umwege. »Meine Werte sind bei 120 zu 80. Der Blutdruck ist der wichtigste Wert, dann kommt Cholesterin als zweitwichtigster«, stellte er zum Beispiel trocken fest und brachte damit die Zuhörer zum Schmunzeln – und Nachdenken.
grusswort Die besondere Stärke Springers, Lachen und Nachdenken trotz der notwendigen satirischen Schärfe zusammenzubringen, sprach an dem unterhaltsamen Abend in ihrem Grußwort auch Charlotte Knobloch an. Er tue dies, sagte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, ohne zu spalten oder auseinanderzutreiben. Zusammenhalt, Freiheit und Gerechtigkeit seien seine großen und übergeordneten Ziele. Knobloch griff auch das Thema des Abends, »Frustlos einmischen«, auf. »Das ist für ihn mehr als der Titel eines Programms. Es ist beinahe ein Lebensmotto«, erklärte sie.
Fester Bestandteil der »Humor verbindet«-Veranstaltungsreihe sind die erhellenden Gespräche, die der Psychologe und Stressexperte Louis Lewitan nach den Auftritten mit den Gästen führt. So konnte er Christian Springer etwa entlocken, dass der sich nicht für einen mutigen Menschen, sondern für einen »Nörgler« und »Hingucker« hält. Unberührt von dieser Selbsteinschätzung bleibt sein Engagement gegen Unterdrückung jeglicher Art.
überzeugung »Wenn jemand hinfällt, dann gehe ich hin und helfe ihm auf.« Diesen Satz seiner Mutter zitierte der Kabarettist im Gespräch mit Louis Lewitan und machte zugleich deutlich, welche prägende Wirkung sein Elternhaus auf seine Entwicklung und Überzeugung hatte. Solche Worte hätten ihn beeindruckt – und die Art, wie seine Eltern in ihrem Obst- und Gemüseladen mit den Kunden umgingen. »Alle wurden gleich behandelt. Egal ob ein ›altes Mutterl‹ nur einen Schnittlauch wollte oder Roberto Blanco kam und für ein Event einkaufte«, erinnert sich Springer.
Der Kabarettist hält sich für einen »Nörgler« und »Hingucker«.
In dem Gespräch erfuhren die Besucher des Gemeindezentrums zum Beispiel auch, dass er Semitistik, Philologie des christlichen Orients und Bayerische Literaturgeschichte (»ohne Abschluss«) studiert hat. »Diese Mischung«, zeigte er sich überzeugt, »begleitet mich mein ganzes Leben.«
hilfsprojekte Natürlich kam an dem Abend auch seine Suche nach Alois Brunner zur Sprache. Der Nazi-Massenmörder, die rechte Hand von Adolf Eichmann, lebte unbehelligt in Syrien, wie heute bekannt ist. Als Christian Springer mit 21 Jahren in den Nahen Osten aufbrach, um ihn ausfindig zu machen, galt Brunners Aufenthalt in Syrien als Staatsgeheimnis. Wie nahe Springer an ihm dran war, erfuhr er erst später. Heute organisiert und unterstützt er Hilfsprojekte im Nahen Osten. In diesem Jahr will er auch noch einen Weißen Fleck auf seiner persönlichen Landkarte tilgen und zum ersten Mal in seinem Leben nach Israel reisen. Auch das erfuhren die Zuhörer an diesem Abend.
Antisemitismus hat in der Gedankenwelt von Christian Springer keinen Platz, wie er wiederholt auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck brachte. Eine Facette seines Handelns, eine vor Kurzem öffentlich verbreitete Videobotschaft des Kabarettisten, hatte Charlotte Knobloch in ihrer Begrüßungsrede angesprochen. Darin ruft er Täter, Mitwisser und Zeugen auf, zur Aufklärung des Brandanschlags auf das jüdische Altenheim beizutragen. Bei dem verheerenden Attentat, das sich 2020 zum 50. Mal jährt, kamen sieben Menschen ums Leben.