Fast sieben Jahrzehnte nach dem Ende der Schoa ist es der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem nach wie vor ein Anliegen, Menschen zu finden, die verfolgten Juden das Leben retteten. Am Dienstag vergangener Woche wurde im fränkischen Allersberg Eduard Rügemer postum als »Gerechter unter der Völkern« geehrt. Diese Feierstunde war auch deshalb etwas ganz Besonderes, weil der jüngste durch Rügemer Gerettete bei der Ehrung anwesend war: der in München lebende Roman Haller.
Stellvertretend für seinen Vater nahm der fast 90-jährige Erich Rügemer die Auszeichnung entgegen. Wegen dessen hohen Alters waren die Repräsentanten Israels und Yad Vashems in Rügemers Wohnort gekommen, wo Bürgermeister Bernhard Böckeler einen würdigen Rahmen im historischen Gilardi-Haus vorbereitet hatte. Gemeinsam mit Arik Rav-On von Yad Vashem überreichte Emmanuel Nahshon, Gesandter der Botschaft Israels, die Auszeichnung.
laudatio In ihrer Laudatio hob Sandra Witte von der israelischen Botschaft den mutigen und lebensgefährlichen Einsatz von Eduard Rügemer hervor. Der Major der Wehrmacht leitete im ukrainischen Tarnopil den »Heereskraftfahrpark«. In diesem mussten Juden aus dem Ghetto Zwangsarbeit leisten. Viele Überlebende bestätigten nach dem Krieg, dass sie von Rügemer immer gut behandelt wurden.
Eine von ihnen ist Francisca Wilner. »Er hat nicht nur unser Leben gerettet. Während dieser ganzen schrecklichen Zeit hat er sich als das einzige menschliche Wesen unter den Bestien erwiesen«, erinnerte sich die Überlebende. Doch Rügemer tat noch weit mehr und riskierte dabei auch sein Leben: 1944, als das Ghetto geräumt wurde, versteckte er gemeinsam mit seiner Haushälterin jüdische Zwangsarbeiter im Keller seiner Villa. Später fuhr er seine Schützlinge in den Wald, wo sie sich in einem Unterstand versteckten und überlebten.
waldunterschlupf Unter diesen Menschen war auch die damals schwangere Ida Haller. Ihr Sohn Roman kam im Mai 1944 in dem Waldunterschlupf zur Welt. Tief gerührt erzählte er, wie sich seine Eltern nach dem Krieg bemühten, ihren Retter zu finden. Als sie ihn gefunden hatten, holten sie ihn zu sich nach München, wo er für Roman zum Ersatz-Opa wurde.
Am Ende der Ehrung wurde in dem kleinen Saal ein Foto an die Wand projiziert, das Erich Rügemer gemeinsam mit Ida Haller und dem kleinen Roman zeigt. Roman Haller hat es in seinem Buch Davidstern und Lederhose veröffentlicht, in dem er gemeinsam mit anderen Münchner Juden die Kindheitserinnerungen aus den Nachkriegsjahren beschrieb. »Wer das Leben eines einzigen Menschen rettet, rettet die ganze Welt«, hatte Haller in seiner Rede aus dem Talmud zitiert. Deshalb ehrte Yad Vashem Hallers Retter Eduard Rügemer.