Am 22. Januar stimmt die Jüdische Gemeinde zu Berlin über eine neue Repräsentantenversammlung ab. Zum zweiten Mal in kurzer Folge. Denn das Ergebnis der ersten Wahl am 4. Dezember 2011 war wegen Unregelmäßigkeiten in einem Wahllokal für ungültig erklärt worden. Für Berliner Rabbiner bedeutet diese Neuwahl größtenteils eine zweite Chance.
»Ich bin darüber erfreut«, sagt Rabbiner Tovia Ben-Chorin. Denn so gebe es die Möglichkeit, dass mehr Mitglieder teilnehmen werden als bei der Stimmabgabe im Dezember, meint der 76-Jährige der in der Synagoge Pestalozzistraße tätig ist.
Bei der ersten Abstimmung Anfang Dezember hatte die Wahlbeteiligung bei nur 27 Prozent gelegen. Für Ben-Chorin ein Schock. Ende Januar sind nun rund 9.000 Gemeindemitglieder aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. »Ich hoffe, dass ein Weg gefunden wird, dass mehr Leute generell an der Gemeinde interessiert sind«, sagt der Rabbiner.
Respekt Gleichzeitig sollte die Gemeinde ihren Mitgliedern auch mehr Aufmerksamkeit entgegenbringen. Ben-Chorin, der seit vier Jahren in der Stadt amtiert, wünscht sich von der neuen Repräsentantenversammlung, dass auch die Mitarbeiter mehr geschätzt werden. »Berlin ist eine Perle jüdischen Lebens«, meint er. Es gebe so viele Strömungen unter einem Dach wie sonst kaum. »Wir sind ein Haus – und jede Stimme wird bei der Wahl gebraucht.«
Allerdings habe er in den vergangenen Jahren »eine gewisse Müdigkeit« unter den Mitgliedern beobachtet. Ben-Chorin würde sich ebenfalls wünschen, dass die Kluft zwischen den Gremien und den Synagogen abgebaut werde. »Warum setzen sich nicht mal die Synagogenvorstände zusammen und sprechen über die Probleme und über die Budgetverteilung?«, fragt er.
Ein erste positiver Schritt und Beleg, dass sich alle zusammentun können, hätten die Chanukkafeiern der vergangenen Jahre am Gemeindehaus gezeigt. Die erste Kerze wurde gemeinsam angezündet – und zwar von Rabbinern und Betern mehrerer Synagogen. »Es waren mehr als 400 Leute da, darunter viele Kinder.« Aber diese Idee sei nicht von der Verwaltung gekommen, sondern es sei sein Vorschlag gewesen. Außerdem möchte der Rabbiner, dass die Gemeinde attraktiver wird – auch für die vielen Israelis, die sich der Gemeinde nicht anschließen. »Für diese Problematik sollte auch ein Gremium eingerichtet werden.«
»Erst einmal hoffe ich, dass viele Mitglieder von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen«, sagt auch Rabbiner Andreas Nacha-ma. Deshalb werde er im Gottesdienst in der Synagoge Hüttenweg noch einmal auf den Gang zur Wahlurne hinweisen. »Hoffentlich wird die nächste Abstimmung gültig.«
Sein wichtigstes Anliegen an den neuen Vorstand ist die Höhe des Kultusetats, betont der Rabbiner der Betergemeinschaft Sukkat Schalom. Die Synagogen seien schließlich die wichtigste Größe in der Gemeinde. Und die Beter sollten einen größeren Spielraum bekommen, um die Synagogen individueller gestalten zu können.
Glaube »Unsere Weisen sagen: ›alle, die sich mit dem Dienst an der Gemeinde beschäftigen, sollen dies um des Himmels willen tun, denn das Verdienst ihrer Väter steht ihnen bei und ihre Frömmigkeit besteht für ewig‹«, zitiert Yitshak Ehrenberg den Talmud.
Der orthodoxe Rabbiner der Synagoge Joachimstaler Straße erwartet und betet darum, dass nur die geeignetsten Personen für dieses »heilige Ziel« gewählt werden. Er hofft, dass mehr Betonung auf die jüdische Erziehung der Kinder gelegt wird, auf die Stärkung der jüdischen Identität, die Stärkung der Synagogen und der Kaschrut.
Ebenso sollte es Verbesserungen bei der Chewra Kadischa geben. Die Beerdigung und alles was mit ihr zusammenhängt soll nach jüdischer Tradition und Halacha gemacht werden. Das Wichtigste sei, so der Rabbiner, dass so schnell wie möglich beerdigt wird, und es keine Verzögerung gibt.
»Was dies betrifft, steht die Berliner Gemeinde leider weit hinter den Frankfurter und Münchener und anderen großen Gemeinden zurück«, sagt der 61-Jährige. Die neu gewählten Repräsentanten sollen die Ehre der Gemeinde innerhalb und außerhalb bewahren.
Zusammenhalt Der größte Wunsch für Rabbiner Yehuda Teichtal von Chabad Lubawitsch für die neue Legislaturperiode wäre eine Gemeinschaft mit familiärem Charakter. Die Gemeindeleitung sollte die Menschen zusammenbringen und viel Wert auf Dinge legen, die die Mitglieder vereint. Es sollte ein positives Bild entstehen. »Wir sind nur stark, wenn wir zusammen sind.«
Der Antisemitismus müsse weiter gemeinsam bekämpft werden. Auch hofft er, dass die jüdische Bildung gestärkt wird, worauf »jedes Kind ein Recht hat«. Jedem müsse die Möglichkeit gegeben werden, zu erfahren und zu wissen, was es heißt, jüdisch zu sein.
Vor allem den jungen Leuten sollte eine umfassende jüdische Bildung angeboten werden – da sehe er eine große Herausforderung. Friede unter den Mitgliedern der Gemeinde – das wünscht sich Rabbiner Chaim Rozwaski von der neuen Repräsentantenversammlung und dessen Vorstand.
Es solle »mehr Liebe und ein bisschen mehr Ruhe als in der Vergangenheit« vorhanden sein, so der Rabbiner der Synagogengemeinde Lev Tov.