Tatjana Koroll steht vor der Turnhalle in der Oranienburger Straße und wartet. »Ich hatte heute viel Stress bei der Arbeit«, sagt sie. Aber jetzt fühle sie sich schlagartig »frisch«. Denn in wenigen Minuten geht es los mit den jüdischen Volkstänzen. Dienstagabends ist für die Mitarbeiterin der Sozialabteilung immer »Jachad«-Zeit. »Jachad heißt so viel wie miteinander und gemeinsam«, sagt Larissa Shein, die die Tanzgruppe vor drei Jahren innerhalb des Projektes Impuls auf die Beine gestellt hat, und seitdem ehrenamtlich leitet.
Motivation So allmählich trudeln immer mehr Tänzerinnen und ein Tänzer ein und ziehen sich um, während Larissa Shein den CD-Player abstellt und Wasserflaschen und Becher aus ihrer Tasche herausholt. »Die Musik und die Bewegung sind gut für den Geist und den Körper«, sagt die 55-Jährige. Darüber hinaus möchte sie den 20 Teilnehmern auch die jüdische Kultur näherbringen. »Sie sind sehr motiviert.«
Seit 25 Jahren lebt sie nun in Berlin, davor war sie 13 Jahre lang in Haifa in Israel. »Da sieht man die Tänze überall – so hat mich auch die Begeisterung gepackt«, sagt Larissa Shein, die in Odessa in der Ukraine aufgewachsen ist. Viele Kenntnisse hat sie schon, noch immer bildet sie sich bei Mazal Weber, Volkstanzdozentin der Jüdischen Volkshochschule, weiter.
Probe Die älteste Tänzerin der Jachad-Gruppe ist die 72-jährige Larisa Khasin. »Ich mag es, mich zu schöner Musik zu bewegen«, meint sie und zieht ihre pinkfarbenen Turnschuhe an. Trotz der Sommerferien sind fast alle da. »Wir proben schon für unseren Auftritt beim Gemeindefest der Jüdischen Kulturtage«, so Larissa Shein. Sie bilden einen Kreis und los geht es. Larisa Khasin drückt ihren Rücken durch, nimmt ihre Arme hoch, dann beugt sie ihren Oberkörper leicht zur Seite und klatscht in ihre Hände: »Hey« rufen alle gleichzeitig. Nursilia Baschir ist erst zum zweiten Mal dabei und schon vom »Jachad«-Fieber gepackt. »Ich war vergangene Woche so begeistert, dass ich wiederkommen wollte«, sagt sie. Simone Satanowski ist hingegen von der ersten Minute an mit von der Partie. »Die Bewegung, die Musik und die Gemeinschaft – das alles tut mir sehr gut«, sagt die 48-jährige Krankenschwester, die vom Tanz zum Dienst ins Krankenhaus geht. Die Gemeinschaft sei so eng, dass sie auch privat etwas unternehmen.
Stilrichtungen »Nun stellt euch in Reihen auf, es kommt eine russische Komposition«, ruft Larissa Shein. Mittlerweile sind die Köpfe schon vor Anstrengung leicht gerötet. Alle Stilrichtungen, die in Israel vertreten sind, werden auch bei »Jachad« getanzt. Zu einem chassidischen Lied bringt sich die Tanzgruppe in Position. Nursila Baschir stellt sich ihr gegenüber und versucht so, die ihr unbekannte Schrittfolge zu lernen. Larisa Khasin ist sich schon sicher und schwenkt anmutig ein rotes Tuch. Es macht einfach Spaß, sagt Tatjana Koroll. »Und es ist auch eine Ergänzung zu meiner jüdischen Identität.«