Shalom Berlin!» Unter diesem Motto feierten die Jüdischen Kulturtage in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen. Und wie es sich für eine ordentliche Jubiläumsfeier gehört, bot das neuntägige Programm eine ganz besonders bunte Mischung von Veranstaltungen.
Ganz gleich, ob dem Besucher der Sinn eher nach einem gepflegten Konzert, einem spannenden Kinobesuch, einer verzaubernden Märchenstunde oder einer schlaflosen Partynacht stand – für jeden Geschmack und für jede Altersgruppe war etwas dabei.
Auftakt und Abschluss der Kulturtage bildeten wie schon in den vergangenen Jahren die Konzerte in der Synagoge Rykestraße. Für das Eröffnungskonzert am 4. November war der Sopransänger David D’Or, der in seiner israelischen Heimat nur der «goldene David» genannt wird, nach Berlin gekommen. Der Sänger begeisterte mit einer Mischung aus poppigen Songs und sakraler Musik und vor allem mit seiner fantastisch voluminösen Stimme, die über vier Oktaven bis in den Mezzosopran reicht.
Das Publikum bedankte sich mit stürmischem Applaus und war mindestens genauso begeistert wie der Papst oder Barack Obama es offenbar waren, als sie D’Ors Stimme bei ihren jeweiligen Staatsbesuchen in Israel hören konnten.
trompete Zum Abschluss der Kulturtage spielten die Klezmer Brass Allstars mit einem zweistündigen Konzert in Europas größter Synagoge in Prenzlauer Berg. Die Band um das Gründungsmitglied der weltberühmten Klezmatics, Frank London, bereits etliche Male immer wieder gern gesehener Gast der Jüdischen Kulturtage, bereitete den Zuhörern zusammen mit der jüdischen Sängerin Eleanor Reissa einen schwungvollen musikalischen Abend in einem gut besuchten Haus.
Die beiden Künstler aus New York traten mit ihrem gemeinsam performten Musikprojekt «Vilde Mekhaye» erstmals vor Berliner Publikum auf – eine Premiere. Der Titel ist ein Wortspiel und beschreibt eine Mischung aus einem nicht zu bändigenden Wildfang und etwas ganz besonders Schönem. Die gespielten Stücke des Trompeten-Gesangs-Duos waren ein bunter Mix aus klassischen und unbekannten jiddischen Liedern, politischen Weisen und jazzigen Sounds.
Gerhard Kämpfe, wie schon im Vorjahr auch 2017 Intendant der Jüdischen Kulturtage, zog ein positives Resümee der Jubiläumsveranstaltung. «Wir haben eine sehr aufregende Woche hinter uns. Ich bin stolz darauf, dass viele der Veranstaltungen im Rahmen der Kulturtage ausverkauft waren», sagte Kämpfe.
Dem eigenen Anspruch, insbesondere nichtjüdischen Besuchern durch ein vielfältiges Kulturangebot Einblicke in die unterschiedlichen Lebenswelten des Judentums zu ermöglichen, sei man gerecht geworden. Der Festivalchef bedankte sich für die Unterstützung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und insbesondere bei ihrem Vorsitzenden, Gideon Joffe. Er freue sich schon auf die Kulturtage im kommenden Jahr, betonte Kämpfe.
konsul Ein besonderes Highlight der Kulturtage – nicht nur für eingefleischte Cineasten – war die Deutschlandpremiere des portugiesischen Films Der Konsul von Bordeaux im Kino Babylon.
Der Spielfilm erzählt die hierzulande weitgehend unbekannte Geschichte von Aristides de Sousa Mendes, der während des Zweiten Weltkriegs als portugiesischer Diplomat im französischen Bordeaux tätig war. Gegen die Anweisungen der faschistischen Regierung von Diktator Salazar stellte Sousa Mendes im mit den Deutschen kollaborierenden Frankreich Petains Transitvisa für gestrandete Flüchtlinge aus.
Ohne diese Dokumente hätten die Schutzsuchenden das vom Franco-Regime kontrollierte Spanien nicht durchqueren können. Aus dem offiziell neutralen Portugal gelang es den Flüchtlingen, über die großen Häfen des Landes nach Nord- und Südamerika auszureisen.
Durch seinen mutigen Einsatz rettete Sousa Mendes schätzungsweise 30.000 Menschen unterschiedlicher Nationalität das Leben. Unter den Geretteten waren auch 10 000 Juden. Der «iberische Schindler», der nach dem Bekanntwerden seines Einsatzes aus dem portugiesischen Staatsdienst entlassen wurde und 1954 verarmt in Lissabon starb, wurde in Yad Vashem postum als Gerechter unter den Völkern geehrt.
party Dem von den beiden Regisseuren Francisco Manso und Joao Correa gedrehten Film gelingt es in eindrücklicher Weise, durch historische Rückblenden und die biografischen Erinnerungen eines Überlebenden in der Gegenwart, die Geschichte von Sousa Mendes zu erzählen. «Als ich von Sousa Mendes’ Geschichte gehört hatte, wollte ich unbedingt einen Film über diesen unbekannten Helden drehen», sagte Henri Seroka. Der belgische Koproduzent und Filmmusikkomponist war zusammen mit dem Enkel des Diplomaten, Antonio de Sousa Mendes, zur Premiere nach Berlin gekommen.
Das Wochenende vom 11. bis zum 12. November stand ganz im Zeichen der Musik. Am Samstagabend legte der Tel Aviver Star-DJ Tomer Maizner im Berliner Klub The Pearl auf. Der Musiker, der bei seinen Auftritten auch gerne einmal live die Drum Sticks zum Trommeln zückt, versetzte das junge Partyvolk mit seiner «One Man Show» aus orientalischen Technobeats, israelischen Popsongs und tanzbaren R’n’B-Hits bis tief in die Nacht in Begeisterung.
«Es war fantastisch, etwas ganz Besonderes», sagte Marius Jann. Der 23-jährige Student aus Berlin geht gerne in den Club The Pearl. Einen «Nummer-Eins-DJ», wie das israelische «Time Out Magazine» Maizner nennt, hatte er dort vorher aber noch nicht erlebt.
klassiker Wer am Sonntag vor dem großen Abschlusskonzert Lust hatte, sich in die Welt der Märchen zu begeben – zusammen mit der ganzen Familie –, war im Jüdischen Gemeindehaus in der Fasanenstraße genau an der richtigen Adresse. Dort präsentierte das 16-köpfige «Kammerorchester Unter den Linden» mit seinem Künstlerischen Leiter Andreas Peer Kähler Sergei Prokofjews Klassiker Peter und der Wolf in einer einmaligen Fassung – auf Jiddisch.
Das Ensemble erzählte musikalisch die Geschichte vom tapferen Peter, der mithilfe seines Freundes, eines kleinen Vogels, den bösen Wolf fängt und in ein Reservat bringt, zweisprachig: Die Texte wurden lebendig abwechselnd von zwei Sprechern auf Jiddisch und auf Deutsch vorgetragen.
Mit Teddy im Arm und offenem Mund hörten die zumeist jüngeren Zuschauer der Inszenierung gebannt zu. Begeistert gingen Eltern, Kinder und Großeltern nach der 60-minütigen Vorstellung nach Hause – oder fuhren weiter nach Prenzlauer Berg, um sich dort am Abend die Klezmer Brass Allstars anzuhören.