Anmerkung der Redaktion (2. August 2023):
Als dieser Text von Fabian Wolff in der Jüdischen Allgemeinen erschien, glaubte die Redaktion Wolffs Auskunft, er sei Jude. Inzwischen hat sich Wolffs Behauptung als unwahr herausgestellt.
David ist ganz entspannt. Ruhig steht er in der Aula seiner Schule und hält gelassen seine Geige. Seine Mitschüler laufen aufgeregt über den Schulflur. »Wir werfen nicht mit Geigenbögen!«, ermahnt sie die Kunstlehrerin. Das Ensemble sitzt vor der Bühne und geht kurz den Text durch, den es gleich sprechen soll. Soweit ein ganz normaler Veranstaltungsabend im Jüdischen Gymnasium Moses Mendelssohn.
»Wir Mendelssöhne und -töchter« heißt die Veranstaltung, die im Rahmen des 20. Jubiläums der Schule stattfindet. Sie präsentiert Leben und Werk zweier Menschen, die den Namen Mendelssohn tragen: Moses, der große Aufklärer, und sein Enkel Felix Mendelssohn Bartholdy, der Komponist.
Weltpremiere So beginnt der Abend dann auch mit Musik. Das Kammerorchester des Gymnasiums spielt die Fuga Nr. 1 in d-Moll, von Mendelssohn Bartholdy als Unterrichtsübung geschrieben, als er kaum 11 Jahre alt war. Die Leitung hat der Jazz-Musiker Boris Rosenthal übernommen – spontan, wie Schulleiterin Barbara Witting erzählt. Dabei musste Rosenthal die Stücke extra für das Kammerorchester umarrangieren. Quasi eine kleine Weltpremiere, bei der auch zum ersten Mal ein der Schule gestiftetes Cello verwendet wird.
Vor der Veranstaltung hatte Rosenthal mit den Schülerinnen und Schülern noch gescherzt. Aber ab dem ersten Ton läuft alles konzentriert und genau. Wohl auch deswegen arbeitet Rosenthal immer wieder mit der Schule für solche Projekte zusammen. Seit 2012 ist die Schule offiziell nach Moses Mendelssohn benannt, nachdem die Namensfindung fast 17 Jahre gedauert hat. Seitdem gibt es eine Kooperation mit der Mendelssohn-Gesellschaft Berlin. Dessen Vorsitzender Thomas Lackmann hielt an diesem Abend einen Vortrag über die Geschichte dieser besonderen Familie.
Wertesystem Der Name Mendelssohn ist auch deswegen gewählt, weil er eng mit dem Standort der Schule verknüpft ist. Ganz in der Nähe, nämlich am Hackeschen Markt, lebte Mendelssohn Bartholdy mit seiner Großmutter, erzählt Lackmann. Die gesamte Familie sei voll von faszinierenden Geschichten. Für Lackmann, der nach eigenen Angaben selbst Nachfahre der Mendelssohns ist, steht sie für nicht weniger als das deutsch-jüdische Wertesystem.
Auch die Schüler haben sich mit der Familie auseinandergesetzt und führen eine szenische Lesung der »Brautbriefe« auf, die Moses Mendelssohn an seine Verlobte Fromet Gugenheim schrieb. Die Beziehung war, wie Lackmann betont, für die Zeit von großer Liebe und Respekt geprägt. So schreibt der »kleine Mosche aus Dessau« an seine »Mamsel Braut«, dass er es fast nicht für möglich hält, wie sehr er verliebt ist.
Zum Abschluss spielen die Schüler, von denen die meisten mitten im MSA- und Abiturstress sind, noch ein wenig Musik. Barbara Witting bedankt sich nicht nur bei den Beteiligten, sondern auch bei den Gästen. Unter ihnen die Zeitzeugin Margot Friedländer, die sich als ehemalige Schülerin kaum eine Veranstaltung entgehen lässt. Und auch für den gelassenen David gibt es noch besonderen Applaus. Der weiß nämlich gar nicht, wie lange er noch an der Schule bleibt – schließlich hat er gerade die Aufnahmeprüfung für die Hanns-Eisler-Hochschule bestanden.