Europas größte Chanukkia erstrahlte in der vergangenen Woche auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Am Sonntag vorvergangener Woche entzündeten Gemeinderabbiner Yehuda Teichtal und die Schoa-Überlebende Margot Friedländer gemeinsam mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sowie dem neunjährigen jüdischen Jungen Noah Aberschanskij das erste von insgesamt acht Lichtern des zehn Meter hohen Leuchters.
Rund 2000 Menschen waren zu der feierlichen Zeremonie vor Berlins Wahrzeichen zusammengekommen. Unter den Ehrengästen waren unter anderem Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (beide SPD), der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, sowie Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke). Auch die Botschafter von Israel und den USA, Jeremy Issacharoff und Richard Grenell, nahmen an der Zeremonie teil.
ZENTRAL Bereits zum 15. Mal in Folge war die Chanukkia vom Jüdischen Bildungszentrum Chabad Lubawitsch auf dem prominenten Platz im Herzen der Bundeshauptstadt aufgestellt worden. »Rund 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz erleben wir heute, wie der Antisemitismus wieder sein hässliches Haupt erhebt«, sagte Rabbiner Teichtal beim Festakt. Die Gesellschaft müsse gemeinsam dagegen aufstehen und sagen, dass es in Deutschland keinen Platz für Gewalt und Hass gibt.
»Jüdisches Leben ist nach Berlin gekommen, um zu bleiben. Die Kerzen des Chanukkaleuchters stehen in diesem Sinne symbolisch für den Sieg des Lichts über die Dunkelheit«, sagte Teichtal. Dass der Chanukkaleuchter an einem derart zentralen Ort in Berlin aufgestellt worden sei, zeige, dass jüdisches Leben heute wieder einen festen Platz in der deutschen Gesellschaft habe.
»Chanukka als Fest der Religionsfreiheit ist heute aktueller denn je.«
Josef Schuster
Bundesjustizministerin Lambrecht rief in ihrer Rede zu mehr Einsatz gegen Antisemitismus und rechtspopulistische Hetze auf. »Wir müssen jüdisches Leben mit allem verteidigen, was wir haben«, forderte Lambrecht. Deswegen habe die Bundesregierung auch noch in diesem Jahr ein Gesetzespaket zur Verschärfung des Strafrechts auf den Weg gebracht.
Es sieht unter anderem vor, dass antisemitische Motive hinter einer Straftat in Zukunft bei Verurteilungen zu härteren Strafen führen können. Dafür soll der Paragraf 46 des Strafgesetzbuchs, nach dem menschenverachtende Motive bei der Strafzumessung berücksichtigt werden müssen, entsprechend ergänzt werden.
»Jüdisches Leben und Kultur sind ein fester Bestandteil von Deutschland und damit auch ein Teil von uns«, sagte Lambrecht weiter. Das Licht der Chanukkia habe die Kraft, Menschen über Religionsgrenzen hinweg zu verbinden, und stehe mit seinem Zauber für eine soziale Gemeinschaft.
SYMBOL Berlins Regierender Bürgermeister sagte, dass das jüdische Lichterfest Zuversicht und Hoffnung für alle Menschen in der Stadt ausdrücke. Insbesondere vor dem Brandenburger Tor, »das symbolisch für die deutsche Hauptstadt« stehe, sei der Chanukkaleuchter »ein Zeichen der Stärkung jüdischen Lebens in unserer Stadt und in ganz Deutschland«, sagte Müller.
»Gerade in dieser Zeit, in der wir auch in unserer Stadt gegen wachsenden Antisemitismus ankämpfen müssen, stellt sich Berlin in eine Reihe mit vielen Metropolen in der Welt, in denen ähnliche Zeremonien stattfinden«, erklärte der Regierende Bürgermeister.
Zentralratspräsident Schuster sagte, 2019 sei kein einfaches Jahr für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland gewesen. »Menschen, die auf der Straße als Juden zu erkennen waren, wurden angefeindet und angepöbelt«, konstatierte Schuster.
Insbesondere der rechtsextremistisch motivierte Terrorangriff auf eine Synagoge im sachsen-anhaltinischen Halle am 9. Oktober habe die Gemeindemitglieder zutiefst schockiert.
»Der Leuchter ist ein Zeichen der Stärkung jüdischen Lebens in unserer Stadt.« Michael Müller
Hinzu komme, dass in vielen Ländern Europas die Freiheit der Religion wieder offen infrage gestellt werde. »Chanukka als Fest der Religionsfreiheit ist deshalb heute aktueller denn je«, sagte der Zentralratspräsident.
Dass es nach dem Anschlag von Halle und nach anderen bekannt gewordenen antisemitischen Vorfällen breite Solidaritätsbekundungen aus der Gesellschaft gegeben habe, mache ihm Mut. »Ich fühle mich in Deutschland trotz aller Anfeindungen von Feinden der Demokratie zu Hause«, sagte Schuster.
Der Berliner Gemeindevorsitzende Joffe appellierte an die Politik, sich mehr für die Freiheit der Religionen einzusetzen. »Auch die Demokraten müssen lernen, dass alle Religionen nebeneinander friedlich existieren können«, sagte Joffe.
Der Gemeindevorsitzende dankte den Rabbinern von Chabad Lubawitsch dafür, dass sie sich jedes Jahr wieder aufs Neue dafür starkmachen, dass die Chanukkia vor dem Brandenburger Tor aufgestellt wird. Denn: »Das Brandenburger Tor ist für Berlin das Symbol der Freiheit schlechthin«, sagte Joffe.
STADTGEBIET Bis zum 30. Dezember wurde jeden Tag nach Einbruch der Dunkelheit ein weiteres Licht an der Chanukkia entzündet. In den Berliner Stadtbezirken gab es insgesamt 21 öffentliche Chanukkaleuchter. Auch in anderen deutschen Städten sowie an vielen Orten weltweit wurden zum jüdischen Lichterfest Leuchter aufgestellt. Am bekanntesten sind die Chanukkaleuchter vor dem Weißen Haus in Washington, vor dem britischen Parlament in London und vor dem Kreml in Moskau.