Von Tag zu Tag kommt ein Licht mehr dazu, am Ende sind es acht. Die Lichter, die eine große Bedeutung für Juden überall in der Welt haben, warfen am vergangenen Sonntag ihr Licht auf Hunderte Münchner, die zur traditionellen öffentlichen Chanukkafeier auf den Jakobsplatz im Herzen der Stadt gekommen waren.
Acht Meter hoch ist die riesige, vom Künstler Gershom von Schwarze erschaffene Chanukkia, die zu den größten zählende außerhalb Israels, auf der prunkvoll die Lichter thronen. Gemeinsam entzündet wurden sie von Rabbiner Israel Diskin von Chabad Lubawitsch und dem bayrischen Kultusminister Ludwig Spaenle, den IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch als »echten Freund der Juden« bezeichnete.
Traum Rabbiner Diskin, der das öffentliche Lichtzünden in München längst zu einer beliebten Tradition gemacht hat, erklärte bei der Feier den Ursprung von Chanukka: das Wunder, als das wenige vorhandene Öl die Flamme im Tempel acht Tage lang am Leben hielt. Charlotte Knobloch erinnerte an den Traum, die ganze Welt vom Chanukkalicht erleuchten zu lassen – und nannte die Namen derer, die diesen Traum auch in München realisiert haben: Rabbiner Israel Diskin, Gershom von Schwarze und Tita Korytowski im Gedenken an ihren verstorbenen Mann Manfred sel. A. »Wir danken Ihnen, dass Sie uns und dieser Stadt Jahr für Jahr dieses wunderbare Geschenk machen«, sagte Knobloch.
Die spürbare Präsenz der Chanukkalichter vor der Silhouette von Synagoge und Jüdischem Zentrum nahmen sowohl Charlotte Knobloch als auch Rabbiner Diskin wahr. »Licht ist auch jetzt da«, betonte er in seiner Rede und fügte hinzu: »Jede kleine Tat, die wir vollbringen, ist auch eine Lichtquelle.« Die Präsidentin der IKG wies bei der Feier auf eine Gemeinsamkeit von Judentum und Christentum hin. »Die Kern-Botschaften von Chanukka und Weihnachten sind ähnlich. Wir wollen die Dunkelheit durchbrechen, um die Welt ein bisschen heller und besser zu machen«, erklärte Knobloch.
Alle, die zum Lichterfest auf den Jakobsplatz gekommen waren, konnten sich dem Wunsch nach einer helleren und besseren Welt auch mit Blick auf die aktuelle Situation in Israel kaum entziehen. Andererseits ist das Jahr 2015 auch ein ganz besonderes in der Beziehung zwischen Deutschland und Israel. Kultusminister Spaenle war es, der in seiner kurzen Rede das Jahr 2015, in dem das 200-jährige Bestehen der IKG und zugleich auch der 70. Jahrestag ihrer Wiedergründung gefeiert wurde, auch mit der Zahl 50 verband: ein halbes Jahrhundert diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel. »Was für ein Tag muss es gewesen sein, als der erste deutsche Botschafter 20 Jahre nach dem Ende der Schoa israelischen Boden betrat?«, fragte sich Spaenle.
mahnungen Zuvor hatte Charlotte Knobloch gemahnt, dass jüdisches Leben in Deutschland und Israels Existenzrecht nie infrage gestellt werden dürfen. Spaenle versprach ihr daraufhin: »Rechte Schreihälse haben auf Münchens Straßen keine Chance!« Gleichwohl ist nach Überzeugung Knoblochs der immer offener zutage tretende Judenhass nicht von der Hand zu weisen: »Die Maske von Pegida und Co., aber auch von Teilen der AfD, ist längst gefallen.«
Hinzu kommt ihren Worten zufolge ein weiteres unberechenbares Element. In etlichen Herkunftsländern von Flüchtlingen gehöre der Judenhass zur Staatsräson. Umso wichtiger, sagte die IKG-Präsidentin, sei die Integration dieser Menschen in das Wertesystem Deutschlands. »Da darf es keine Obergrenzen geben, das Leid ist auch im 21. Jahrhundert noch immer grenzenlos. Aber klar muss auch sein: Die Scharia hat bei uns keinen Platz. Allen, die hier leben wollen, muss das bewusst sein.«
Trotz der ernsten Worte, die sich angesichts des allgegenwärtigen Terrors nicht vermeiden ließen, machte die Chanukkafeier ihrem Sinn als Fest der Freude alle Ehre. Besonders erfreulich war es, dass auch so viele Nichtjuden am Lichtzünden teilnahmen. Sie alle wurden gebührend mit Sufganiot und Latkes verwöhnt.
In den Tagen zuvor wurde Chanukka in allen Institutionen der IKG gefeiert, zum Beispiel in der Sinai-Schule und dem Seniorenheim. Das Fest eröffnet am Sonntag vergangener Woche hatte ein Schülerchor.