Wenn ich mich hier umsehe, geht mir das Herz auf», freute sich Präsidentin Charlotte Knobloch beim alljährlichen gemeinsamen Zünden des Chanukkalichts auf dem Münchner Jakobsplatz. Am vergangenen Sonntagabend waren trotz Minusgraden und andauernden Schneefalls mehrere Hundert Menschen zu der Veranstaltung der Israelitischen Kultusgemeinde und Chabad Lubawitsch München gekommen.
Seit 16 Jahren ist die Chanukkafeier für alle Münchner ein fester Termin im Jahreskalender. Nach München gebracht haben die öffentliche Chanukkafeier damals Rabbiner Israel Diskin und seine Frau Chani von Chabad Lubawitsch.
Wurzeln In all diesen Jahren war ein Münchner immer aktiv dabei: Oberbürgermeister Christian Ude. Er verlieh seiner Freude über das gemeinsame Lichterfest Ausdruck und gab mit Blick auf Charlotte Knoblochs Frage nach der Beschneidungsdebatte zur Zukunft jüdischen Lebens in Deutschland ein Statement ab: «Die jüdische Gemeinschaft ist Teil der Gesellschaft. Sie haben hier im Herzen der Stadt Wurzeln geschlagen – und wenn sich einer nicht damit anfreunden kann, dann ist das nicht Ihr Problem, sondern seines!»
Die Vielzahl der Menschen bestätigte seine Worte. «Dieses überwältigende Bild, das ich heute vor mir sehe», sagte die Präsidentin, «lässt uns alle spüren, dass dieser Schritt die beste und die wichtigste Entscheidung der Israelitischen Kultusgemeinde seit ihrer Neugründung im Jahr 1945 war. Das jüdische Zentrum hier am Jakobsplatz ist das Symbol der Heimkehr des deutschen Judentums.» Ohne die Hilfe von Stadt und Freistaat «und die breite Unterstützung der Münchnerinnen und Münchner hätten wir diesen Traum niemals erfüllen können».
Sorgen Dennoch trieben Charlotte Knobloch an diesem Abend der Freude auch Sorgen um, «die – das möchte ich nicht verhehlen – Spuren hinterlassen haben». Sie nannte die Enthüllung des Nationalsozialistischen Untergrunds, die «auch den letzten Ignoranten vor Augen führten, dass es auch in Deutschland ein eng geknüpftes und perfekt organisiertes Netz des rechtsextremistischen Terrors gibt».
Zu den Sorgen der Präsidentin gehören auch der Nahostkonflikt, der Antisemitismus, der «virtuelle und reale Shitstorm, der in den letzten Monaten über die jüdische Gemeinschaft hereingebrochen ist», und weitere Negativereignisse des Jahres.
Hoffnung setzt Knobloch auf die Bekämpfung der Unwissenheit, die eine Ursache für den Antisemitismus ist: «Eben darum sehe ich eine große Chance für diese Stadt in Form des neuen NS-Dokumentationszentrums. Hier soll der Brückenschlag in die Gegenwart gelingen. Wir sind, wer wir sind, weil in der Vergangenheit geschehen konnte, was geschah. Entscheidend ist heute – mehr denn je –, ob es uns gelingt, dieser Prägung ihre lähmende Kraft zu nehmen. Das Zentrum sollte, nein muss, eine Initialzündung sein, aus den Ritualen der Gedenkkultur auszubrechen und in eine kluge, zukunftsgewandte Erinnerungskultur einzusteigen.»
Dieses Land, fuhr Charlotte Knobloch fort, gehe jeden Bürger etwas an: «Wir sind verantwortlich dafür, in einer Republik mündiger Bürger zu leben, in der alle, die an einem friedlichen Miteinander interessiert sind, in Freiheit und gegenseitigem Respekt leben können. Dieses Land soll eine liebens- und lebenswerte Heimat sein, in der wir einander als Menschen begegnen – und verstehen, dass der andere gar nicht so anders ist. In diesem Sinne lassen Sie uns gemeinsam feiern – im Lichte von Chanukka, im Glanze von Weihnachten und im Geiste einer freien und friedlichen Welt.»
Chanukkia Staatsminister Ludwig Spaenle loste unter den vielen Kindern dasjenige aus, das mit Oberbürgermeister Ude und Rabbiner Yochonon Gordon von Chabad Lubawitsch die ersten beiden Chanukkalichter anzünden durfte.
Bereits vor dem Lichterzünden hatte Rabbiner Arie Folger in der Synagoge mit einem Konzert des Kinderchors «Hasamir», des Synagogenchors «Schma Kaulenu» und des Männerchors «Druschba» die Kerzen zwischen Mincha und Maariw entzündet. Auf dem Platz selbst ging Folger zum Abschluss auf die verschiedenen Arten des Lichterzündens ein. Mit der aufsteigenden Zahl solle an die wachsende Freude erinnert werden. Ebenso solle das Haus und das Leben im Gemeindezentrum immer mehr wachsen. Dazu, so Folger, sollten alle beitragen.