Eigentlich müsste Abraham Teuter nervös sein. Denn er wartet auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt im Streit darüber, ob er als Lehrer weiterarbeiten darf oder nicht. Aber einen unruhigen Eindruck macht er gar nicht. Teuter sitzt in der Küche der Altbauwohnung, die er sich mit seiner Frau, einem Schäferhund und zwei Katzen teilt, und erzählt in ruhigem, meist nachdenklichem Ton über sich.
Geboren ist er 1948 als Sohn jüdischer Eltern in München. Sie waren 1945 als sogenannte Displaced Persons nach Deutschland gekommen. Der Vater, eigentlich Dreher, machte Geschäfte als Händler und verdiente »nicht schlecht«. Nach ein paar Jahren in München und Berlin siedelte sich die Familie in Frankfurt an.
Da war Abraham 14 Jahre alt und bereits auf dem Weg, ein unbequemer Geist zu werden. Eine Ausgabe der Zeitung, die er später im Jugendzentrum der Jüdischen Gemeinde herausgegeben habe, sei wegen seines Textes gegen die 1966 gegründete Lichtigfeldschule eingestampft worden, sagt er: »Weil ich in dem Artikel die Ansicht vertrat, dass Juden nicht im Ghetto leben sollten.« Damit habe sein Engagement in der Jüdischen Gemeinde geendet.
ALIBABA-verlag Der jüdischen Literatur fühlte sich Teuter aber weiterhin verbunden. Ende der 1970er-Jahre gründete er einen Verlag namens Alibaba und verlegte zusammen mit seiner Frau Anne auch Bücher jüdischer Autoren. »Um die jüdische Kultur habe ich mich also verdient gemacht«, sagt Teuter mit einem Hauch Ironie in der Stimme. »Alibaba« gibt es nicht mehr, dafür aber die Bücher, die Teuter herausgegeben hat. Sie lagern im einst als Verlagsbüro genutzten Zimmer der Dachgeschoss-Wohnung im Frankfurter Nordend.
Zu Teuters Autoren gehörte auch Mirjam Pressler mit Shylocks Tochter, einem historischen Roman. In der Rubrik »Schulbücher« des Alibaba-Verlags veröffentlichte auch der Sozialist und jiddische Dichter Yuri Suhl. Ein Kinderbuch Suhls, Auf Leben und Tod über Partisanen, die gegen die Wehrmacht kämpften, wurde von Teuter selbst ins Deutsche übertragen.
Und Schoschana Rabinovici berichtete in Dank meiner Mutter, wie sie das Ghetto Wilna überlebte. Doch bei Alibaba erschienen auch die Aufklärungsbücher Einfach irre! und Total normal von Harris und Emberley, der Roman Staring at the Sun von Jan Drees, ein Buch von David Chotjewitz über Karl Marx und die Anthologie Wie erziehe ich meine Eltern.
Abraham Teuter war schon immer ein Nonkonformist. Und nun will er nicht hinnehmen, dass er in Ruhestand gehen soll. Es kommt zwar nur selten vor, dass Lehrer gegen ihre Pensionierung rechtlich vorgehen. Doch zu diesen wenigen Menschen gehört der jüdische Studienrat. Sein Fall sorgte für mediale Aufmerksamkeit; nicht nur Lokal- und Regionalzeitungen schrieben über ihn, sondern auch Spiegel Online. Lanciert hatte die Berichterstattung seine Anwältin Annika Biscas. Sie lud zur Pressekonferenz ein und trug vor, ihr Mandant habe wegen Altersdiskriminierung gegen das Hessische Kultusministerium geklagt.
Ausnahme Ermutigt dazu fühlte sich Teuter durch die Formulierung einer Ausnahmeregelung im Gesetz, nach der ein Lehrer auch nach Eintritt des Pensionsalters weiterbeschäftigt werden kann, wenn »ein dienstliches Interesse« besteht. Zu der Frage, ob das in seinem Fall zutrifft oder nicht, gibt es allerdings unterschiedliche Positionen. Teuter kam 2009 an die Ernst-Reuter-Schule II (ERS), eine integrierte Gesamtschule.
Er unterrichtete Deutsch, Englisch und Gesellschaftskunde und leitet eine Theatergruppe. Er will weitermachen. Doch Schulleiter Gerhard Schneider ließ die oberste Behörde wissen, dass Teuters Weiterbeschäftigung aus »organisatorischen und innerschulischen Gründen nicht notwendig« sei.
Auf die Schulleitung ist Teuter daher nicht gut zu sprechen. Mit dem Kollegium hingegen habe er keine Probleme, betont er. So haben denn auch Personalrat und Frauenbeauftragte der ERS in einen Brief an die oberste Behörde geschrieben, dass sie den Antrag auf Dienstzeitverlängerung »ausdrücklich befürworten«. Auch Teuters Schüler wollen, dass er weiter unterrichtet und haben jede Menge Unterschriften gesammelt.
Teuter sagt, er habe Freude am Unterrichten, einen guten Draht zu Kindern und Jugendlichen und könne vor allem Schüler aus schwierigen Familienverhältnissen begeistern. Bei ihm gebe es keine Hausaufgaben, und trotzdem lernten die Schüler. »Weil ich sie nicht zwinge, sondern auf ihre Eigenverantwortung setze und Inhalte so vermittele, dass sie lernen, ohne auswendig zu lernen«, sagt der Studienrat, der mit seinem grau melierten Bart, den gekräuselten Haaren und Brille aussieht wie ein verhuschter Professor.
Benotung Seit seinem Berufseinstieg vor 35 Jahren musste Teuter immer wieder die Institution wechseln. Mal wollte er nicht an der Schule bleiben, an die er versetzt wurde, mal wollte ihn die Schulleitung nicht. Teuter erzählt, er habe dagegen protestiert, dass ein Polizist mit Dienstwaffe vor Schülern sprach. Weil er nicht habe durchsetzen können, dass der Beamte die Waffe ablegt, habe er sich geweigert, mit ihm zusammen in die Klasse zu gehen. Auch wollte er Zehntklässler keine Arbeiten schreiben lassen, die in der Benotung nicht berücksichtigt werden.
»Ein Querulant bin ich schon immer gewesen«, sagt er. Es falle ihm schwer, Dinge zu akzeptieren, die keinen Sinn ergäben. Im Rückblick erinnert sich der 65-Jährige, dass er schon als Kind »kein Angepasster war«. Zwar habe er Freunde gehabt, habe aber auch immer gewusst, dass er »anders« sei.
Woher es rührt, dass er vieles infrage stellt und Autoritäten nicht per se als solche akzeptiert? »Ich weiß es nicht so genau«, sagt Teuter. Am Montagmorgen hatte er einen Termin beim Staatlichen Schulamt Frankfurt. »Es war ein nettes Gespräch ohne Ergebnis«, so Teuter. Über seine Klage entscheidet in diesen Tagen ein Verwaltungsrichter.