Dichtes Gedränge, lautes Stimmengewirr, zahlreiche Gemeindemitglieder, interessierte Ehrengäste: großer Andrang bei der Ausstellungseröffnung »Symbol des Neuanfangs – 50 Jahre jüdisches Gemeindehaus«. Das war im August vergangenen Jahres. Die Fotos und Tafeln hängen zwar immer noch – aber es ist wieder ruhig geworden im Haus an der Fasanenstraße. Zu ruhig, findet Lala Süsskind, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde. Wenn man das Gebäude betritt, kann es passieren, dass man lediglich eine Mitarbeiterin am »Servicepoint« sieht, ansonsten nur verwaiste Tische und Sessel. Nur ganz selten geht ein Mitarbeiter oder Besucher durch die Eingangshalle. Das kleine Café, dass vor drei Jahren auf Anregung des damaligen Bildungsreferenten Uri Faber eingerichtet worden war, ist verwaist. Die Rolläden des Tresens sind geschlossen.
»Es wäre schön, wenn es in unserem Gemeindehaus wieder lebendiger werden würde«, sagt Sozial- und Kulturdezernentin Margarita Bardich. Seitdem die Verwaltung und das Büro des Gemeindevorsitzenden vor knapp vier Jahren an die Ora-
nienburger Straße umgezogen ist, passiert in der Fasanenstraße nur noch wenig, meint Bau- und Kultusdezernent Grigorij Kristal.
Begegnung Lala Süsskind wünscht sich, dass aus dem Haus wieder eine Begegnungsstätte wird. Das Café soll so einladend sein, dass man sich gerne dort hinsetzt und andere Menschen trifft – auch ohne dass man einen Termin im Gemeindehaus hat. Junge und alte Menschen sollen sich hier begegnen, Schach spielen, die Bibliothek nutzen und sich unterhalten und preiswert Kleinigkeiten essen und etwas trinken können. Gemeindemitglieder sollen zudem die Möglichkeit bekommen, ihre Kunst im Foyer auszustellen. Ein offenes Haus soll es wieder werden.
Süsskind erinnert sich immer gerne an den Trubel von früher. Noch Jahre nach der Schoa habe es in West-Berlin keinen anderen Ort gegeben, deshalb habe sich das »jüdische Westberlin« in der Fasanenstraße getroffen. »Es war sehr familiär. Jeder fühlte sich wie zu Hause«, sagt die 64-Jährige. Das Gebäude galt als »Wohnzimmer der Gemeinde«. Hier traf man sich zu Hochzeiten und Beschneidungen, Bar- oder Batmizwa-Feiern, Purimpartys, Gemeindeseder oder Chanukkabälle. Und auch Lala Süsskind hat ihre Hochzeit im Gemeindehaus gefeiert. Sie verbindet mit dieser Adresse ebenso den WIZO-Basar, der früher jedes Jahr ein »großes Ereignis« gewesen sei und mehrere tausend Besucher angelockt habe. Leider gebe es ihn nicht mehr, bedauert die Gemeindechefin.
Verwaltung Unter ihrem Vorgänger Gideon Joffe zentralisierte die Jüdische Gemeinde ihre Verwaltung im Sommer 2006. Damals wurden die Büros in der Joachimstaler- und der Fasanenstraße geräumt. Die Kultus-, Finanz-, Sozial und Bauabteilung sollte gemeinsam mit der Jugendförderung und den anderen Bereichen der Verwaltung unter einem Dach zu finden sein. Rund 80 Prozent der Gemeindemitglieder seien zwar im ehemaligen Westteil der Stadt zu Hause, ihr Weg zu der nun im Ostteil befindlichen Gemeindeverwaltung wurde dadurch weiter. Aber für die meis-ten Gemeindemitglieder würde das gar kein Problem darstellen, hoffte Joffe damals, sie könnten sich ja an den Servicepoint in der Fasanenstraße wenden. Doch die Praxis sieht anders aus. Beispielsweise bei der Kultusabteilung erwies sich die Idee als nicht alltagstauglich, weshalb dieser Verwaltungsteil bereits im vergangenen Herbst von der Oranienburger- in die Fasanenstraße zurückgezogen ist. »Etliche Mitglieder wohnen eben in Charlottenburg und Wilmersdorf und scheuen den Weg nach Mitte«, sagt Dezernent Kristal.
Auch die Servicestelle blieb zwischenzeitlich unbesetzt. Nun aber wird der Besucher wieder von einer Gemeindemitarbeiterin begrüßt. Die Räume seien alle belegt, die Bibliothek werde gut besucht. Das Restaurant könne wahrscheinlich mehr frequentiert werden, so Kristal, aber die Sicherheitskontrolle stelle vielleicht doch eine Hemmschwelle für viele potenzielle Gäste dar. Die Repräsentantenversammlung kommt im Gemeindehaus zusammen, die Jüdische Volkshochschule hat ihr Domizil dort, ebenso gibt es die Schulungsräume. Auch einige Clubs treffen sich hier.
Sanierung Das Haus müsste auch dringend saniert werden – doch dieses Projekt ist erst einmal aufgrund der angespannten Haushaltslage der Gemeinde zurückgestellt. Etwa 50.000 Euro wurden veranschlagt. Dabei soll die Lüftungsanlage nachgebessert werden, ebenso die sanitären Anlagen. Die Grundleitung des Abwassers sei in einem schlechten Zustand und im Keller seien die Wände so feucht, dass sich Schimmel bilde. Auch müsse die Außenfassade erneuert werden, sagt Kristal.
Vielleicht hat ja Esther Slevogt recht, die bei der Eröffnung der von ihr zusammengestellten Ausstellung im vergangenen Jahr sagte: »Eventuell muss sich das Gemeindehaus nun neu erfinden«.