München

Ladino, Lesung, lange Schlangen

Der erste Sonntag im September ist immer auch der »Europäische Tag der jüdischen Kultur«. In diesem Jahr fand er bereits zum 18. Mal statt. Er ist aber auch gewissermaßen das Startsignal für die immer gleich darauf folgenden Jüdischen Kulturtage, deren Programm sich bis Ende Oktober erstreckt. Verbunden sind die Veranstaltungen ohnehin, da beide von der Kulturabteilung der Israelitischen Kultusgemeinde organisiert werden.

In diesem Jahr lautet das durchgehende Motto »Diaspora«. Für IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch könnte es kaum ein interessanteres Thema geben. »Seit Jahrhunderten«, schreibt sie in ihrem Grußwort, »ist die Diaspora die Lebenswirklichkeit und das prägende Lebensgefühl der jüdischen Gemeinschaft.« Sie fügt in diesem Zusammenhang aber auch hinzu: »Wir sind ein respektierter Teil der pluralistischen Stadtgesellschaft. Wir sind Münchner mit tiefen Wurzeln in der Münchner und der bayerischen Geschichte. Unsere jüdische Kultur zusammen mit der bayerischen Kultur ist unsere innere Heimat, in ihr fühlen wir uns aufgehoben und geborgen.«

Vermittlung Tage wie der Europäische Tag der jüdischen Kultur dienten vor allem auch dazu, Menschen unterschiedlichen »Zuschnitts« einander näherzubringen – und zu einem Ergebnis zu führen, das die IKG-Präsidentin so formuliert: »Vielleicht setzt sich dadurch die Erkenntnis durch, dass der vermeintlich andere gar nicht so anders ist.« In der Vermittlung gegenseitigen Respekts und Verstehens spiele das Kulturzentrum unter der Leitung von Ellen Presser dabei eine zentrale Rolle.

Die Akzeptanz der jüdischen Gemeinschaft durch die Münchner Gesellschaft lässt sich auch an einer Zahl bemessen, die nicht einmal genau feststeht. Waren es schon 300.000 Menschen, die die Synagoge bei den angebotenen Führungen gesehen haben? »250.000 waren es auf jeden Fall schon, möglicherweise auch ein paar mehr«, nennt Ellen Presser die in Betracht kommende Spannweite. Erst vor wenigen Wochen, als das zehnjährige Bestehen des Gemeindezentrums gefeiert wurde, wurde auch immer wieder die erstaunliche Anziehungskraft des Jakobsplatzes als kulturelles und religiöses Zentrum betont. »Mit dieser Akzeptanz«, so Charlotte Knobloch, »konnte keiner rechnen.«

Sicher ist, dass am Sonntag wieder einige Hundert Besucher hinzugekommen sind, knapp 300, um es genau zu sagen. Schon lange vor Beginn der Führungen (12 und 15.30 Uhr), die diesmal von »Mitzwe Makers«-Vorstand Steven Guttmann und Ellen Presser geleitet wurden, bildeten sich vor dem markanten, seit elf Jahren bestehenden Gotteshaus am Jakobsplatz lange Schlangen.

Spiritualität Wenig später erlebten die Besucher die geradezu magische Spiritualität, die von der Ohel-Jakob-Synagoge ausgeht. Eine Frau aus Norddeutschland, die aus familiären Gründen für ein paar Wochen in München lebt und eher zufällig vorbeikam, konnte es kaum fassen. »Ein wunderbarer Ort«, sagte sie – und fügte noch einen Satz hinzu: »Dabei bin ich gar nicht religiös.«

Die Jüdischen Kulturtage, die mit einem Vortrag von Dirk Heißler gestartet sind und in den kommenden Wochen Buchpräsentationen, Filme, Lesungen, Gespräche und Diskussionen bieten werden, dokumentieren die Vielfalt jüdischer Kultur.

»Das anspruchsvolle Programm, das das Team um Ellen Presser in diesem Jahr wieder auf die Beine gestellt hat«, erklärt die IKG-Präsidentin, »leuchtet verschiedene Facetten der Diaspora hierzulande aus und führt uns von Deutschland und Europa bis in die USA und nach Australien. Lassen Sie sich mitnehmen auf eine inspirierende Reise!«

Vielfalt Die Religiosität und die Synagogen waren am Sonntag ein Teil jüdischer Vielfalt, der CD- und Buchbasar im Gemeindezentrum ein ganz anderer. Diese kulturellen Angebote zum Schnäppchenpreis und mit jüdisch-israelischem Bezug waren ausgesprochen gefragt. Einige »Bücherwürmer«, die am Stand vorbeischauten, nahmen Literatur und Musik gleich tütenweise mit.

Schräg gegenüber von den CD- und Bücherstapeln, im Hubert-Burda-Saal, setzte Marcia:Bloom den musikalischen Schlusspunkt hinter den Europäischen Tag der jüdischen Kultur. Die Gruppe mit Sängerin Petra Schechter und den Musikern Uwe Seemann (Bass, Gitarre), Benny Brown (Rhodes-Piano, Posaune, Trompete, Flügelhorn) und Matthias »Maze« Meusel (Schlagzeug, Percussion) verbindet die alte Sprache Ladino, das Spanisch der sefardischen Juden, mit modernem Sound. Auch das gehörte zur kulturellen Vielfalt.

Frankfurt/Main

»Mein Herz blutet«

In Israel herrsche »Balagan«, Chaos, sagt Chaim Sharvit. Er steht hier denen zur Seite, die zum ersten Jahrestag des 7. Oktober dunkle Gedanken haben. Ein Besuch in Deutschlands größtem jüdischen Altenheim in Frankfurt

von Leticia Witte  14.10.2024

Gedenkveranstaltung

Steinmeier: Wer überlebt hat, trägt schwer an der Last

Fünf Jahre nach dem rechtsextremen Anschlag besucht Bundespräsident Steinmeier die Tatorte.

 09.10.2024

Frankfurt

Graumann und Grünbaum zur Doppelspitze in der Frankfurter Gemeinde gewählt

Den Vorstand vervollständigen Rachel Heuberger, Daniel Korn und Boris Milgram

von Christine Schmitt  09.10.2024

Berlin

»Ein bewegender Moment«

Am Donnerstag fand in Berlin die feierliche Ordination von zwei Rabbinerinnen sowie sechs Kantorinnen und Kantoren statt. Doch auch der monatelange Streit um die liberale Rabbinatsausbildung in Deutschland lag in der Luft

von Ralf Balke  09.09.2024 Aktualisiert

Neue Potsdamer Synagoge

Am Freitag wird der erste Gottesdienst gefeiert

Nach der feierlichen Eröffnung im Juli soll nun das religiöse Leben in der Synagoge in Potsdam langsam in Gang kommen. Am Wochenende sind erste Gottesdienste geplant

 06.09.2024

IKG

»Ein großer Zusammenhalt«

Yeshaya Brysgal zieht nach einem Jahr als Jugendleiter eine positive Bilanz und plant für die Zukunft

von Leo Grudenberg  04.09.2024

Keren Hayesod

»Das wärmt mir das Herz«

Der Gesandte Rafi Heumann über seinen Abschied von Berlin, deutsche Spielplätze und treue Spender

von Christine Schmitt  04.09.2024

Porträt der Woche

Sinn ernten

Caro Laila Nissen half nach dem 7. Oktober Bauern in Kibbuzim nahe Gaza

von Lorenz Hartwig  01.09.2024

Frankfurt

Dinner mit den »Zweiflers«

Die Jüdischen Filmtage überzeugen durch ein breites Spektrum an Angeboten

von Johanna Weiß  30.08.2024