Seit Ende April widmet sich die Ausstellung »Hast du meine Alpen gesehen« im Museum des Deutschen Alpenvereins einer wechselvollen jüdischen Beziehungsgeschichte: Jüdische Alpinisten waren Impulsgeber des Bergsports. Doch bereits in den 1920er-Jahren hatte sich im Alpenverein eine Arisierung durchgesetzt. Begleitet ist die bis zum 27. Februar dauernde Ausstellung von einem umfangreichen Programm. Um die »Koschere Hotellerie in den Alpen – von den Pionieren bis heute« ging es bei einer Veranstaltung des Kulturzentrums der IKG. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam Urlaub in den Alpen auch für religiöse Juden in Mode.
Die Familie Berman zählte zu den Pionieren der koscheren Hotellerie, führte von 1876 bis 1938 in Meran das Hotel Bellaria mit koscherer Küche und hauseigener Synagoge, Edelweiß-Logo und Davidstern. 1886 kam die »Pension Edelweiss« in St. Moritz hinzu. Die Züricher Literaturwissenschaftlerin Bettina Spoerri zeigte in ihrem Vortrag die Entwicklung des religiösen Tourismus, seinen Aufstieg und dra- matische Rückschläge in der NS-Zeit. Nach 1945 hatte sich etwa im Hotel Silberhorn in Grindelwald eine bunte Mischung zusammengefunden, religiös-säkulare, glühende Zionisten aus Israel und Chassidim aus Crown Heights/ N.Y., Lord Immanuel Jacobovits und Ytzhak Shamir.
Übersee Zu einem Ausflug in die Bergwelt jenseits des Atlantik nahm Ursula Zeller ihre Vortragsbesucher mit. In einer Veranstaltung der Literaturhandlung in Zu- sammenarbeit mit dem Jüdischen Museum und B’nai B’rith ging es um »The Jewish Alps in der Neuen Welt«. Bei ihrer literarischen Wanderung durch die Catskill Mountains unweit von New York zeigte die Referentin vom Institut für Jüdische Studien an der Universität Basel anhand zahlreicher literarischer Dokumente das Leben dort. Das beliebte Ausflugsziel der New Yorker entdeckten bald die aus Osteuropa kommenden jüdischen Einwanderer für sich. So entwickelte sich in diesen Bergen auch ein Brennpunkt der amerikanisch-jüdischen Akkulturation. »Während in Europa die Alpenclubs arisiert wurden, wurden in den USA die Alpen jüdisch«, stellte Ursula Zeller fest.
Auch wenn die Catskills den Namen Alpen topografisch nicht ganz verdienten, erfüllten sie die Sehnsucht der Städter nach Erholung in den Bergen allemal. Gesunde Luft und kräftiges Essen sollte hier auch manchen Tuberkulosekranken kurieren. Hier konnte man auch die Vergangenheit beiseiteschieben. Ursula Zeller zitierte den Werbespruch auf einer Postkarte: »Der Holocaust, das ist Europa. Das ist vergessen in unseren Bergen.« Und doch blieb die Erinnerung auch hier. Zwar bedeutete die Gewohnheit, die Freizeit in den Bergen zu verbringen, einen Schritt hin zur Amerikanisierung. Dennoch blieben die Juden auch hier weitgehend unter sich, ja sogar von einem »Mountain Ghetto« war die Rede.
Borscht belt Hotels mit koscherer Küche wie das Grossinger’s taten das ihre dazu. Das Hotel hatte der Galizier Asher Selig Grossinger um 1900 gegründet. Bald schon bekam die Region den Namen »Borscht Belt«. Die große Zeit erlebten die Catskills nach dem Zweiten Weltkrieg, als die zweite und dritte Generation der Einwanderer zu Wohlstand gekommen war. Doch bereits mit den 70ern begann der Niedergang dieser besonderen Welt. Ein Bild zeigte das mit Gras überwachsene Schwimmbad des Grossinger’s. 1986 wurde das Hotel geschlossen. Auch an diese Epoche bleibt die Erinnerung lebendig, etwa in dem Film Dirty Dancing. Oder in einem Roman von Allegra Goodman.
In Kaaterskill Falls setzt die 1967 geborene Autorin dem Leben der meist orthodoxen New Yorker Juden, die den Sommer während der 70er-Jahre in den Catskills verbrachten, ein literarisches Denkmal. Die Catskills mit ihrer Gesellschaft und ihrer religiösen Orientierung gehören heute der Vergangenheit an. Jüdisches Leben findet in Sommercamps für chassidische Jugendliche statt.