Es gibt viel zu tun, packen wir es an. So lautet die Bilanz, die Ludwig Spaenle, der Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Staatsregierung, nach 100 Tagen in seinem neuen Amt zog. Die steigende Anzahl antisemitischer Straftaten und eine Zunahme von judenfeindlichen Vorfällen unterhalb der Strafrechtsrelevanz sind nach Überzeugung Spaenles »unübersehbare Fakten«.
Mit einer engagierten Kultur des Hinschauens, die nach Ansicht des Antisemitismusbeauftragten auch die Grundlage für ein konsequentes Handeln ist, müsse man der Ausgrenzung von und der Aggression gegenüber Juden frühzeitig entgegentreten.
Antijüdische Gesinnung sei nicht tolerierbar, unabhängig davon, ob sie von rechtsextremen Kräften oder Islamisten ausgehe oder im linken Spektrum des Antizionismus generiert werde. »Wir stehen als Staat und als Gesellschaft in der Verantwortung. Das ›Nie wieder‹ ist Bestandteil unserer Staatsräson«, erklärte Spaenle bei einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag in München.
Agenda Der frühere bayerische Kultusminister, der im Mai sein Amt als Beauftragter der bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe antrat, hat ein Zehn-Punkte-Programm zur Agenda gemacht.
Ganz oben auf der Liste steht die Errichtung einer Meldestelle für antisemitische Vorfälle. Dieses Vorhaben hatte Ludwig Spaenle bei einem Besuch der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) näher erläutert und war damit bei der IKG-Präsidentin und den Mitgliedern des Vorstands auf ein hohes Maß an Zustimmung gestoßen.
Charlotte Knobloch hatte bei dieser Gelegenheit auch auf die fließenden Grenzen zwischen Antisemitismus und Israelhass hingewiesen. Die BDS-Bewegung, so die IKG-Präsidentin, sei dafür ein besonders eindringliches Beispiel. Über derartige Entwicklungen sorgt sich auch der Antisemitismusbeauftragte. »Die Wahrnehmung, dass jüdisches Leben in der Öffentlichkeit mehr denn je infrage gestellt wird, muss uns bei unserem Handeln weiter antreiben«, betonte Spaenle.
Spaenle will die Initiative »Demokratisches Bayern« ins Leben rufen.
Bei der Pressekonferenz gab er auch zu verstehen, dass die Einrichtung einer Meldestelle bereits ein gutes Stück vorangekommen sei. Die Finanzierung, so Spaenle, werde vom Sozialministerium übernommen, weitere Unterstützung hätten sowohl das Kultus- als auch das Innenministerium zugesichert.
Meldestelle Auch eine weitere grundsätzliche Frage ist den Worten Spaenles zufolge bereits gelöst: »Wir werden die Meldestelle über einen gemeinnützigen Verein organisieren und sie aus organisatorischen Gründen am Bayerischen Jugendring anbinden.«
Dies solle sobald wie möglich erfolgen, damit antisemitische Vorfälle telefonisch oder online gemeldet werden können. »Die Fälle werden erfasst«, erklärte Spaenle das System näher, »und je nach Situation an die zuständigen Behörden weitergeleitet.« Gleichzeitig würden die Menschen mit ihren Sorgen und Anliegen beraten. Das Melderegister könne nach Einschätzung von Ludwig Spaenle entscheidend dazu beitragen, Antisemitismus in seinen Ausprägungen im Alltag sichtbar zu machen – und es liefere zugleich einen Ansatz, dagegen vorzugehen.
Freundschaft Parallel zur Meldestelle will er in seinem neuen Amt weitere Akzente setzen. Spaenle wirft einen Blick auf das seit Jahrzehnten bestehende Deutsch-Französische Jugendwerk. Ein derartiges Projekt könne er sich auch zwischen Bayern und Israel vorstellen. Die Begegnung junger Menschen, so Spaenle, könne die Grundlage für eine Intensivierung der Freundschaft zwischen Bayern und Israel sein.
Intensive Arbeit zur Prävention von Antisemitismus und zur Demokratieerziehung leisten den Worten Spaenles zufolge bereits jetzt die Schulen sowie auch die Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. Diese Tätigkeit möchte er weiter stärken, aber auch zusätzliche Akzente in der Lehrerfortbildung setzen. Wie der Beauftrage der Staatsregierung ankündigte, soll das Problemfeld »Antisemitismus« stärker in die Öffentlichkeit getragen werden.
Dies wird bereits ab Oktober dieses Jahres in Form einer Vortrags- und Dialogreihe an der Ludwig-Maximilians-Universität umgesetzt werden. »Wir müssen die Erinnerungsarbeit fortsetzen, aber auch neue Wege einschlagen«, erklärte der CSU-Politiker.
Gesellschaft In diesem Zusammenhang wies auch er auf die Verschmelzung von Antisemitismus und Israelfeindlichkeit in Teilen der Gesellschaft hin. Seine und die nachfolgenden Generationen seien nicht für die Schoa verantwortlich, betonte Ludwig Spaenle bei der Pressekonferenz. »Aber wir sind verantwortlich, dass nie wieder ein Unrechtsregime wie das der Nationalsozialisten und der SS oder auch das der SED und der Stasi in Deutschland aufgebaut wird. Daran müssen wir arbeiten«, sagte er.
Im Titel seines Amtes ist ein weiteres Betätigungsfeld genannt: Erinnerungskultur. Dazu zählen Spaenles Worten zufolge auch die Errungenschaften der deutschen und bayerischen Demokratie.
Spaenle will deshalb die Initiative »Demokratisches Bayern« ins Leben rufen. Dadurch, so der Beauftragte der Staatsregierung, würden die demokratischen und rechtsstaatlichen Errungenschaften sowie die Biografien und das Handeln von Abgeordneten und Verfechtern der Demokratie sichtbar gemacht werden.
Weitere Informationen unter www.ludwig-spaenle.de