Seniorenzentrum

Köchelndes Defizit

Morgens ist sie immer die Erste. Kurz nach sechs Uhr betritt Slatica Ramic die Küche. Ein prüfender Blick, ob die Spätschicht alles ordentlich und sauber hinterlassen hat, dann ein wohlwollendes Nicken. Slatica Ramic setzt Milch-, Grieß- und Haferschleimsuppe in Töpfen auf den Herd, damit die Speisen warm werden für die Bewohner des Seniorenzentrums der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Die Suppen köcheln vor sich hin – Zeit, um das Kaffeepulver abzumessen. Zwölf Liter kocht Slatica Ramic jeden Morgen. Sie schaut auf die Uhr – noch eine Stunde, um das Buffet aufzubauen, denn ab 8 Uhr kommen die ersten Bewohner zum Frühstück. Teller, Tassen, Besteck, Brot und Brötchen stellt sie schon mal bereit, dazu Konfitüre und Honig. Nun sind auch ihre Mitarbeiter da und fangen mit den Vorbereitungen an.

1980 nahm die Küche im Heim an der Dernburgstraße ihren Betrieb auf. 650 warme Essen wurden damals täglich ausgegeben, heute seien es nur noch knapp 100, so Sigrid Wolff, Leiterin des Seniorenzentrums. Dazu kommen Frühstück und Abendbrot.

kritik Mittlerweile steht die Küche bei einigen Repräsentanten und Vorstandsmitgliedern in der Kritik. »Sie verursachte im vergangenen Jahr ein Defizit von 440.000 Euro«, sagt Finanzdezernent Jochen Palenker. Derzeit seien Berater vor Ort, um zu schauen, wo beim Wareneinkauf und bei der Organisation gespart werden könne. Obwohl die Anzahl der Essen abgenommen habe, seien die Geräte dieselben geblieben, sagt Sigrid Wolff. Veraltet seien sie und hätten hohe Energieverbrauchswerte. »Wenn wir eine Suppe kochen, dann müssen wir einen großen, fest installierten Kessel nehmen, der 600 Portionen statt der benötigten 100 fasst«, meint Wolff. »Er verschlingt viel Energie und muss anschließend ja auch per Hand gesäubert werden.«

Ein kleinerer Kessel würde weniger Kosten verursachen. Auch die Größe der Räume bedeute viel Putzarbeit. Die milchige und fleischige Küche sind jeweils über 50 Quadratmeter groß. Dazu komme jeweils ein begehbarer Kühl- und Tiefkühlschrank sowie Vorratsräume im Keller. Um Kosten zu reduzieren, schlägt Wolff vor, die beiden Küchen zu verkleinern und in energiesparsamere, wirtschaftlichere Geräte zu investieren. Gemeindevorsitzende Lala Süsskind betonte jüngst in einer Repräsentantenversammlung: »Trotz des Defizits wollen wir die Küche behalten, genauso wie unser Pflegeheim, unsere Kita und unsere Schulen – obwohl diese Einrichtungen alle rote Zahlen schreiben.«

Anfangs belieferte die Küche auch die Gemeindemitarbeiter in der Joachimstaler Straße, die Kita und das Gemeinderestaurant in der Fasanenstraße. Dann wurde es verpachtet. »Da hat unsere Küche bereits Geld verloren«, sagt Wolff.

service Früher arbeiteten 17 Personen in der Küche, heute sind es 13. Von denen sind immer vier auf den Etagen im Hermann-Strauß-Heim eingeteilt, in zwei Schichten. Die restlichen sieben sind in der Küche und decken den Service mit ab. Sie bringen beispielsweise den Mietern des Betreuten Wohnens das Abendessen in ihre vier Wände, wenn sie nicht im Speisesaal essen mögen. »Die Köche sollen ja auch mitbekommen, wenn etwas nicht schmeckt. Dann können sie sich Lob und Kritik gleich anhören«, so Wolff. Andererseits fällt es den Mitarbeitern der Küche auch auf, wenn jemand länger keinen Appetit hat und kaum etwas isst. Dann geben sie den Pflegern Bescheid.

Die Küche gehört mittlerweile zum Pflegeheim, beliefert aber auf Nachfrage auch das Betreute Wohnen im Jeannette-Wolff-Heim und im Leo-Baeck-Wohnheim. Die Bewohner müssen das Essen zusätzlich zur Miete bezahlen. Nur beim Pflegeheim ist die Vollpension enthalten. Als Slatica Ramic 20 Jahre alt war, fing sie als Kochhilfe an. »Mehr als mein halbes Leben habe ich in dieser Küche verbracht«, sagt die 50-Jährige. Ramic hat bereits als Zwölfjährige zusammen mit ihrer Mutter am Herd gestanden. »Kochen war schon immer meine Leidenschaft.«

Puree Im großen Kessel in der Küche brodelt nun eine Suppe. Brühe mit Einlage, Hähnchenkeule »Hawai«, dazu Curryreis oder Kartoffeln und danach Kompott stehen auf dem Speiseplan. Während die Bewohner im Speisesaal frühstücken, schält Slatica Ramic bereits die Kartoffeln und rührt die Suppe um. Später räumt sie die milchige Küche auf und reinigt sie, während in der fleischigen das Abendbrot vorbereitet wird. »Unsere Küche versorgt etliche Bewohner, die auf uns angewiesen sind, da sie nicht mehr herauskommen und sich selbst etwas kaufen können«, sagt Wolff. Viele haben auch keine Verwandte mehr, die ihnen zusätzlich etwas mitbringen. Deshalb achten die Köche auf kalorienhaltige Nahrung. Für die Bewohner mit Schluckstörungen wird das Essen püriert.

Es ist 14 Uhr: Slatica Ramica hat nun Feierabend. Sie macht sich Gedanken, was bei ihr zu Hause auf den Tisch kommt.

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