»Es geht darum, die Staffel der Erinnerung weiter zu geben«, sagte Iris Berben am Montagvormittag, nachdem sie symbolisch einen von 23 QR-Steinen am Denkmal für die ermordeten Juden Europas verlegt hatte. Es war der Schauspielerin ein Anliegen, bei diesem Projekt mitzumachen, denn man müsse »in der Erinnerungskultur auf neue Möglichkeiten zurückgreifen«, um junge Menschen zu erreichen, erklärte Berben, die, obwohl sie nach eigenem Bekunden »keine große Technikexpertin sei«, von der Idee der Konzert-App fasziniert sei: »Sie öffnet hoffentlich andere Wege der Wissensweitergabe«, betont die Schauspielerin.
Eine dieser neuen Möglichkeiten sind die in der Werbung mittlerweile recht präsenten sogenannten QR-Codes (Quick Response Codes), quadratische Zeichen, die man mit dem Smartphone einscannt, um dann die entsprechende Website oder auch App aufzurufen.
Die Codes am Mahnmal wurden jedoch nicht auf Werbeplakate gedruckt, sondern von einem Berliner Steinmetzbetrieb in die Steine graviert. Die 23 Steine werden nun rund um das Holocaust-Denkmal in den Boden eingelassen und verknüpfen somit das Denkmal mit einem virtuellen Konzert, das per Smartphone empfangen und gehört werden kann.
Klangerlebnis Die Idee des virtuellen Konzerts hat ihren Ursprung im Jahr 2008, in der Welturaufführung des eigens für das Mahnmal komponierten Werkes Vor dem Verstummen von Harald Weiss. Damals hörten 3000 Besucher dieser einzigartigen Aufführung an diesem symbolischen Ort gebannt zu. 24 Musiker waren zwischen den Stelen des Mahnmals verteilt, eine Sängerin wandelte durch die Schluchten des Gedenkorts. Jeder Zuhörer hatte an der Stelle, wo er sich befand, ein anderes einzigartiges Klangerlebnis. Doch der Aufwand für diese Aufführung war so groß, dass sie nicht wiederholt werden konnte.
Für Initiator Daniel-Jan Girl, Geschäftsführer der DGMK – Deutsche Gesellschaft für multimediale Kundenbindungssysteme – und Vorstandsmitglied im Förderkreis Denkmal für die ermordeten Juden Europas, steht die Frage im Vordergrund, wie zukünftige Generationen mit dem Thema Holocaust und der Geschichtsbewältigung umgehen werden. Die App »Virtuelles Konzert im Denkmal« macht dieses einmalige Ereignis jedem Besucher erlebbar. Die Applikation arbeitet mit einem neuen technologischen Verfahren, das über GPS den genauen Standort des Hörers berechnet und in eine individuelle Klangwiedergabe der Instrumente umrechnet.
Wer den QR-Code scannt und das Konzert über Kopfhörer hört, kann und soll dabei durch das Denkmal wandeln, denn die Wiedergabe der Musik ändert sich dabei ständig und vermittelt ein jeweils einmaliges Konzerterlebnis. Die Instrumente werden schwächer oder intensiver, je nachdem, wo man sich gerade befindet.
GPS Um das zu erreichen, war ein großer technischer Aufwand erforderlich: Im Dezember 2012 wurden mit Unterstützung des Rundfunks Berlin-Brandenburg alle Musikinstrumente und der Gesang neu aufgenommen. Mithilfe komplexer Berechnungen werden die jeweiligen Tonspuren den GPS-Geokoordinaten im Denkmal zugeordnet. Bewegt sich der Hörer nun im Stelenfeld, errechnet sein Smartphone den individuellen Klang zu seiner jeweiligen Position.
Dem Leiter der Berliner Kammersymphonie, Jürgen Bruns, ist das nicht zu viel Technik: Das sehr meditative Stück von Harald Weiss müsse man an diesem Ort hören, erklärt er, und »diese App ist für diese Musik perfekt. Das Erlebnis ist fast intensiver als damals, weil man ganz für sich zuhören kann«. Das Projekt wurde durch zahlreiche kleine Spenden sowie eine beachtliche Zuwendung der Stiftung Berliner Sparkasse ermöglicht.
Allen Mitwirkenden war neben dem Musikerlebnis vor allem wichtig, durch die Technik des QR-Codes und der App junge Menschen anzusprechen, die ganz selbstverständlich über ihre Smartphones mit der Welt verbunden sind. Die kostenlose Konzert-App gibt es für das iPhone (Typ 4S oder 5), eine Android-Version ist geplant. Zusätzlich steht am Denkmal kostenloses WLAN zur Verfügung, damit die 187 Megabyte große Applikation heruntergeladen werden kann.
Weitere Informationen zur App erhalten Sie unter www.virtuelleskonzert.de