Ehrung

Kategorie: Zivilcourage

»Gewalt, Extremismus und Diskriminierung in welcher Form auch immer sind nicht das Problem der betroffenen Gruppe. Sie sind das Problem der Gesellschaft, in der sie vorkommen.« Dieser Überzeugung ist Präsidentin Charlotte Knobloch seit Langem. In einem konfessionsübergreifenden Bündnis, das sich dieser Thematik annimmt, sah sie einen vielversprechenden Lösungsansatz für dieses Problem. So entstand am 14. Juli 2005 das »Bayerische Bündnis für Toleranz – Demokratie und Menschenrechte schützen«.

Am Dienstag vergangener Woche wurde das Bündnis nun mit dem Toleranzpreis der Evangelischen Akademie Tutzing ausgezeichnet, der damit erstmals in der Kategorie »Zivilcourage« verliehen wurde. Das Bündnis begreift sich als partei- und konfessionsübergreifend, staatliche Organisationen sollen sich ebenso engagieren wie gesellschaftliche Gruppierungen, Vereinigungen und Verbände.

Vision Bei der Preisverleihung sagte Knobloch: »Ich bin glücklich und danke Gott dafür, dass ich mit meiner Vision beim ehemaligen Landesbischof Johannes Friedrich auf offene Ohren gestoßen bin.« Seit der Gründung des Bündnisses mit dabei sind neben Friedrich auch der frühere Innenminister Günther Beckstein, Friedrich Kardinal Wetter und Fritz Schösser vom Deutschen Gewerkschaftsbund.

Das Bündnis sei seit 2005 rasch von einigen wenigen auf heute insgesamt mehr als drei Dutzend Institutionen gewachsen, sagte Lale Akgün in ihrer Laudatio. Die Psychotherapeutin, Sozialpolitikerin und Publizistin zitierte aus einer Erklärung Friedrichs: »Gemeinsam mit allen aufrechten und verantwortungsbewussten Demokraten wollen wir allen rechtsextremistischen, rassistischen und antisemitischen Tendenzen entgegentreten und entschieden für unser demokratisches und werteorientiertes Gemeinwesen werben. Die Grundfesten unserer Demokratie sind stabil, helfen wir dabei, dass es so bleibt!«

Akgün lobte zudem, dass das Bündnis für Toleranz den einzelnen Menschen sieht: Es »bekämpft rassistische Ideologien, rechtsextremistische Einstellungen und Handlungen, die aus diesen Ideologien und Einstellungen resultieren. Das ist gut und richtig. Genauso gut und richtig ist es ebenfalls, dass das Bündnis keine Menschen bekämpft. Es sieht die Täter als bedauernswerte Menschen, die selbst Opfer fanatischen Gedankenguts geworden sind und unterstützt Aussteigerprogramme.«

Institution Das Verdienst des Bündnisses fasste Akgün abschließend so zusammen: »Wir werden heute nicht und morgen nicht und vielleicht nie in einer Gesellschaft völlig frei von Vorurteilen, Rassismus und Antisemitismus leben. Eine Institution wie das Bayerische Bündnis für Toleranz hilft uns jedoch, diesem Ziel stückchenweise näher zu kommen.«

Dieses Ziel unterstrich auch Charlotte Knobloch in ihrer Dankesrede: »Als Überlebende des Holocaust, die ich in die tiefsten menschlichen Abgründe geblickt habe, werde ich nicht müde zu betonen, dass Gedenken und Erinnerung kein Selbstzweck sind. Es sind die Lehren aus der Vergangenheit, die uns deutlich bewusst machen, wie verletzlich unsere Freiheit ist und wie behutsam wir mit unserer immer noch jungen Demokratie umgehen müssen. Die Erinnerung lehrt uns, wie wichtig es ist, hier und jetzt, heute und morgen Verantwortung zu übernehmen – füreinander, für unser aller Gemeinwesen und für das friedliche und respektvolle Miteinander aller Menschen in unserer Gesellschaft.«

Gemeinsam mit Knobloch nahm der Amtsnachfolger von Friedrich, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, als Sprecher des Bündnisses die Ehrung entgegen. Dieser Preis, unterstrich er, »gehört all jenen Menschen in Bayern, für die die Würde des Menschen nicht nur auf dem Papier steht, sondern zur alltäglichen Lebenskultur geworden ist«.

Ansporn Das stete Wachsen des Bündnisses sieht Bedford-Strohm als »ein Zeichen der Hoffnung. Intoleranz passt nicht zu Bayern. Deswegen ist dieser Preis für ganz Bayern Ansporn für die Arbeit an einer Gesellschaft, die auf feste Grundorientierungen gegründet ist, historisch geprägt durch das Christentum, aber offen für andere religiöse Traditionen; eine Gesellschaft, deren Wohlstand sich daran entscheidet, wie es ihren schwächsten Gliedern geht und die das Fremde und das Andere nicht zuallererst als Bedrohung, sondern als mögliche Keimzelle für den eigenen Reichtum sieht.«

Toleranz dürfe allerdings nicht verwechselt werden mit Gleichgültigkeit, hatte Akademiedirektor Udo Hahn bereits in seiner Begrüßungsrede betont. Vielmehr sei Toleranz ein aktiver Prozess, der ein aufeinander zugehen verlange. Als Begriff komme Toleranz weder im Grundgesetz noch in den Länderverfassungen vor. Allerdings werde in Artikel 18 des Grundgesetzes die Thematik berührt: »Derjenige verwirkt die dort genannten Grundrechte – etwa die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit, die Lehrfreiheit, die Versammlungsfreiheit –, der aktiv-kämpferisch die ihm gewährleisteten Freiheiten benutzt, um ebendiese Freiheitsordnung zu beseitigen«, so Hahn.

Courage Neben Toleranz werde auch Zivilcourage gefordert, sagte Hahn. Seine Folgerung daraus: »Wir müssen gerade zu dieser Haltung ermutigen. Wir müssen helfen, couragiertes Handeln einzuüben. Und wir müssen Vorbilder identifizieren, an denen jeder sich ausrichten kann. Das Bündnis für Toleranz sagt, was unsere ungeteilte Aufmerksamkeit verlangt: Demokratie und Menschenwürde schützen!«

Es sei das Anliegen der Evangelischen Akademie Tutzing, betonte Hahn, »mit ihrem Toleranzpreis jene Anstrengungen zu würdigen, die auf gesellschaftlichen Konsens ausgerichtet sind, sozialen Frieden wahren helfen und ein Leben in Freiheit sichern – zum Wohle aller Menschen.«

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